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Samstag, 30. Januar 2010

Der kleine Unterschied

Ein kleiner Käfer auf dem Tischtuch? Bei dem kalten
Wetter frage ich mich, woher er kommt.
Für mich ist die wichtigste Frage: Woher kommt er? Draussen ist es regelmässig weit unter null Grad und der Schnee liegt knöcheltief im Garten. Von dort also kaum. Während ich darüber rätsle, kriecht der kleine Käfer gemächlich über mein Tischtuch. Die zweite für mich weniger wichtige Frage ist: Was ist er? Zu welcher Art gehört er? Na ja, ein Käfer ist ein Käfer ist ein Käfer. Damit könnte man sich begnügen. Doch im Jahr der Biodiversität ist es durchaus angebracht, sich für einmal genauer zu erkundigen.
Die Antwort liefert ein Forum für Insektenfotos. Demnach ist der vier Millimeter lange Winzling ein Getreidehähnchen. Sein Name rührt daher, dass er sich vor allem von Gräsern und Getreide ernährt. Damit ist jedoch die Art-Frage noch lange nicht beantwortet. Denn das Getreidehähnchen gibt es in zwei Ausführungen. Eine davon trägt den lateinischen Artnamen Oulema duftschmidi und die andere Oulema melanopus. Beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Sie gleichen sich sogar so sehr, dass man sie nicht von blossem Auge voneinander unterscheiden kann. Trotzdem sind sie zwei unterschiedliche Arten. Woran sich das erkennen lässt? An ihrem Penis.
Oulema duftschmidi: Penis (rechts)
mit runder Spitze.
Obwohl die Käfer evolutionsgeschichtlich zu den ältesten Insekten gehören, haben es viele von ihnen bis heute nicht geschafft, sich von ihren Nachbarn durch deutliche Merkmale abzuheben. Sie legen nicht sehr viel Wert auf individuelles Aussehen, ja sie scheinen sich geradezu einen Spass daraus zu machen, die Menschen damit zu verwirren. Das macht die Arbeit von Käfer-Experten nicht einfach. Denn sie sind nun gezwungen, nach kleinsten Unterschieden in der Beschaffenheit der Flügeldecken, der Beine oder der Fühler Ausschau zuhalten.
Besonders auffällig sind dabei die Genitalien. Denn die Form von Vagina und Penis sind bei jeder Art einzigartig. Nur die Genitalien derselben Art passen wie der Schlüssel zum Schloss. Das ist die letzte Barriere zwischen den Spezies. Selbst wenn ein Männchen von Oulema melanopus sich mit einem Weibchen von Oulema duftschmidi paaren wollte – es würde nicht klappen. Sein Penis passt nicht in die Vagina der anderen Art.
Oulema melanopus: Penis mit
zulaufender Spitze.
Weil die Genitalien ein so verlässliches Merkmal sind, haben Spezialisten auf dem Gebiet ganze Bücher mit Käfer-Penissen und Käfer-Vaginas gefüllt. Nachschlagewerke für Leute, die genau wissen wollen, wer vor ihrer Nase krabbelt. Doch die Sache hat einen Haken. Denn um einen Käfer anhand seines Penis zu bestimmen, muss man ihm das gute Stück abschneiden und unter dem Mikroskop betrachten. Den Eingriff überlebt der arme Kerl nicht. Natürlich habe ich keine Lust, auf meinem Esstisch ein solches Blutbad zu veranstalten. Stattdessen setze ich mein kleines Getreidehähnchen in der Küche ab. Vielleicht findet es irgendwo eine ruhige Ecke, in der es den Rest des Winters ungestört bleibt.

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