Das Leben der Blattläuse in meinem Garten gibt es jetzt als Comic. Hier bestellen.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Ode an die Carotine

Im Tomatenpüree finden Leute mit
Garten-Blues Trost. Da lacht einen die
geballte Ladung Lycopin an.
Der Garten hat gerade seinen Tiefpunkt erreicht. Jedes Quentchen Saft scheint aus den Ästen von Bäumen und Sträuchern gewichen zu sein. Die Gräser liegen dürr und braun unter einer dünnen Schicht Rauhreif und es sieht so aus, als ob sich das nie mehr ändern würde, als ob die Gräser und die Kräuter für immer in ihrer Totenstarre verharren müssten.
Es lässt sich jetzt nur noch erahnen, dass der Garten einmal grün war. Er gleicht jetzt mehr einem verblichenen Abziehbild. Grün ist nur noch eine Idee, die sich irgendwo zwischen Asthaufen und Birnbaumstumpf herumdrückt. Gesehen werden, möchte sie nicht.
Noch schlimmer steht es um die warmen Farbtöne. Das Rot, das Gelb, das Orange. Nach der Offenbarung im Herbst, wo fast jede Pflanze etwas Rotes zu bieten hatte, ist es nun wie weggefegt. Rot ist die Farbe der Reife. Es steckt in Beeren und in Früchten. Die Tomate, der Kürbis, die Erdbeere und die Birne enthalten es.
Dieses Pflanzenrot nennen die Chemiker «Carotine». Es gibt über 600 verschiedene Verbindungen, die alle einen etwas anderen Farbton haben. Das ist die Malpalette der warmen Farben der Natur. Am intensivsten kommt es in einer reifen Tomate oder einer aufgeschnittenen Wassermelone zum Ausdruck. Dieses tiefrote Leuchten stammt vom sogenannten Lycopin. Das Molekül wird in vielen Speisen wie Suppen oder Saucen als Zusatzstoff verwendet (E160d). Man kann damit auch ganz tollen Lachsersatz herstellen, der schön rot aussieht.
Wer zu viel Lycopin zu sich nimmt, wird selbst rot. Da es fettlöslich ist, lagert es sich unter anderem in der Haut ab, was über längere Zeit zu seinem Gelbstich der Haut führen kann. Im Grunde keine schlechte Idee. Jetzt wo der Garten nichts als Kälte ausstrahlt, bin ich dann vielleicht das einzige Objekt, das warm vor sich hinleuchtet. Wer es in dieser tristen Zeit nicht aushält, kann auch eine Dose Tomatenpüree öffnet und sich daran satt sehen. Es enthält 62 Milligramm Lycopin pro 100 Gramm – eine der höchsten Konzentrationen natürlichen Rots im Haushalt.

Sonntag, 15. Januar 2012

Südafrika in der Garage

Langsam wird das etwas. Selbst im
Schummerlicht der Garage.
2007 habe ich von einem Gartencenter in Teneriffa eine kleine Strelizie (Paradiesvogelblume) mit nach Hause gebracht. Vier Jahre lang hat sie sich in meinem Garten in der Sonne geräkelt, hat Hagelstürme, Trockenperioden  und sintflutartige Regenfälle überstanden. Letzten Sommer war es endlich so weit. Die ersten beiden Blütenstängel streckten sich langsam zwischen den Blättern hervor.
Leider ging das ganze etwas zu langsam. Der Herbst kam und ging und die Blüten waren noch immer nicht offen. Das war’s, dachte ich, als das Thermometer tagsüber nicht mehr merklich über die fünf Grad Marke stieg. Die Strelizie musste in die Garage und damit war es wohl mit dem Blühen gelaufen.
Aber siehe da: die Pflanze macht seither beharrlich weiter mit ihrem Plan. Der Blütenstängel streckt sich immer mehr der Decke entgegen und sein oberer Teil schwillt zur Knospe an. Offenbar kennen die Strelizien keine Winterruhe. Und tatsächlich: diese Pflanzenart blüht in ihrer ursprünglichen Heimat Südafrika immer zweimal pro Jahr. Im Sommer schafft sie das Kunststück in nur acht Wochen. Im Winterhalbjahr benötigt sie dafür jedoch ganze 28.
Die optimale Temperatur liegt dabei zwischen 17 und 27 Grad Celsius. Perfekt. In meiner Garage sind es 16. Das erklärt wohl, warum sie mit ihrem Projekt einfach weiter macht. Offenbar hat sie in ihren Wurzeln genug Energie gespeichert, um die Blüten auch im schummrigen Garagenlicht zu vollenden.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Der Fis-Garten

Aus dem dicken Efeu-Stamm hole ich ein Cis heraus.
Ein Garten besteht nicht nur aus Tieren, Pflanzen, Erde und ein paar Steinen, sondern er setzt sich auch aus physikalischen Grössen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Lichtmenge zusammen. Einen besonderen Platz nehmen dabei die Tonfrequenzen ein. Das Laub, das Gras, eine Hecke oder die Äste eines Baums geben Töne von sich, wenn der Wind in sie fährt oder beim Jäten ein Schuh gegen sie stösst.
Dieses Orchester erfüllt jeden Winkel. Manchmal ist es Laut (wenn ein Sturm tobt) und manchmal ist es nur ganz leise (an einem Wintermorgen, bevor die Vögel aufwachen). Ich habe versucht, ein paar dieser Klänge einzufangen und sie physikalisch zu beschreiben. Mein erstes Opfer ist der Kirschlorbeer. Seine steifen Blätter laden dazu ein, auf ihnen mit einem Xylophonschläger herumzutrommeln. Als Messinstrument verwende ich mein Handy, das ich mit der Android App «ToneTuner» in ein Frequenzmessgerät verwandle.
Das erste Blatt liefert 155 Hertz (1 Hertz = 1 Schwingung pro Sekunde). Das entspricht in etwa einem Dis auf dem Klavier. Ein zweites besonders grosses Blatt fällt auf 90 Hertz herab (zwischen F und Fis). Tiefer kann der Kirschlorbeer nicht. Dafür macht sich der Rasen als Basssänger umso besser. Wenn ich mit dem Fuss auf das Grass stampfe erhalte ich 65 Hertz; das tiefe C. Wo der Boden mit Wasser gesättigt ist steigt der Ton auf das D.
Die jungen Wollschweine sprengen den Tonumfang jedes
Klaviers. Ihr Quietschen erreicht mehr als 5000 Hertz.
Sehr viele Objekte geben ganz helle Töne von sich. Der Zaunpfosten beispielsweise schafft 1100 Hertz, der Stamm des Wallnussbaumes 1200 Hertz und der letzte Rest Schnee gibt 1300 Hertz von sich, wenn ich mit dem Fuss draufstampfe.
Die jungen Wollschweine vom Nachbarn nehmen es locker mit solchen Tonlagen auf. Ihr Quietschen fordert mein Handy heraus: 5500 Hertz. Das schafft nicht mal der höchste Ton beim Klavier, das c’’’’’ mit 4186 Hertz. Aber es gibt einen Strauch im Garten, der sie alle in den Schatten stellt. Die feinen Blättchen des Rosmarins sind die Meister-Soprano. Wenn sie gegeneinander schlagen, erklingen sie mit 5719 Hertz.
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