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Sonntag, 18. September 2011

Sozialer Egoismus

Eine Gallische Feldwespe schaut unter einem Ziegel hervor.
Ihr Verhalten könnte erklären, warum es staatenbildende
Insekten gibt.
Wespen und Honigbienen haben eines gemeinsam: beide leben in einem sozialen Superstaat, in dem es allein der Königin vorbehalten ist, Eier zu legen. Alle anderen kümmern sich nur um die Aufzucht ihrer Herrscherin, ohne selbst jemals die Freude des Mutterwerdens erleben zu dürfen.
Es ist ein ungelöstes Rätsel, wie diese «dummen» Insekten es geschafft haben, ihre eigenen Urtriebe zu bändigen und ohne Murren für das Wohl des Ganzen zu arbeiten. Forscher aus der ganzen Welt richten ihren Blick zurzeit auf die Gallische Feldwespe (Polistes dominula), die ein regelmässiger Gast in unseren Gärten ist. In ihrem Verhalten zeigt sich, was soziale Insekten überhaupt erst sozial macht. Die Antwort: Egoismus in Reinkultur.
Die Gallische Feldwespe ist das evolutionäre Bindeglied zwischen den als Einsiedlerinnen lebenden Insekten, wie beispielsweise die Mauerbiene, und den sozialen Insekten wie Honigbiene oder Gemeine Wespe. Mehrere befruchtete Weibchen zusammen bauen gemeinsam an einem Nest. Jeweils die stärkste von ihnen übernimmt die Rolle der Königin. Sie allein legt Eier in die Waben und die anderen Weibchen helfen ihr bei der Aufzucht.
Das geht so lange gut, bis die amtierende Königin herausgefordert wird. Verliert sie den Kampf, muss sie ihre Krone abgeben und fortan ein Leben als einfache Arbeiterin fristen. Die neue Königin hat nun das Privileg, als einzige Eier zu legen, bis sie wiederum von einem anderen Weibchen abgelöst wird. Was diese Insekten also zusammen hält, ist nicht das gemeinsame Ziel, sondern die egoistische Aussicht auf die Krone – die Hoffung einmal im Leben ganz oben stehen zu können.
Und je egoistischer ein Weibchen zu Werke geht, desto eher erreicht es dieses Ziel. Denn die besten Chancen haben diejenigen Weibchen, die im Frühling erst einmal faulenzen und gar nichts tun. Das spart viel Mühe und schont die eigenen Energiereserven.
Etwas später im Jahr lassen sich diese kraftstrotzenden Spätsünderinnen von einem Staat aufnehmen. Dort spielen sie für einige Zeit die «brave Arbeiterin». Das machen sie so lange, bis sie sich genug Fett angefressen haben und ihre Eierstöcke bereit zur Eiablage sind. Auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Stärke schlagen sie zu und übernehmen das ganze Nest. So egoistisch ist der Beginn des Sozialstaats.

Samstag, 10. September 2011

Der Fliegentöterpilz

Der Pilz hat die Fliege von innen aufgefressen. Danach ist
er zurück an die Oberfläche gekommen, um seine
Sporen abzuschiessen. Sie sind deutlich als Hof erkennbar.
Irgendwo zwischen Esstisch und Fensterbrett muss es passiert sein. Eine Pilzspore heftete sich unbemerkt an die Füsse oder Beine der Fliege. Als sie sich etwas später putzte, hat sie die Spore womöglich unabsichtlich auf ihren Unterleib befördert. Dort sind die Ausgangsbedingungen ideal, weil an dieser Stelle die Haut nicht sehr dick ist. Aus der Spore begann ein Schlauch zu wachsen, der sich schnurstracks daran machte, sich einen Weg in den Körper zu bahnen.
Die Fliege kümmerte das zu diesem Zeitpunkt noch nicht gross. Sie ist zurück zum Esstisch geflogen und hat sich wieder den roten Tupfern zugewendet – Überreste der Spaghetti mit Tomatensauce. Sie ahnte nicht, dass das ihr letztes Mal sein sollte. In ihrem Körper wucherte bereits der Tod.
Als der Pilzschlauch die Aussenhülle durchdrungen hatte, bildete er unzählige Verästelungen wie die Wurzeln einer Pflanze. Bald waren es Hunderte und Tausende von Pilzfäden, die wie eine lebende Lawine den inneren Organen der Fliege entgegenstrebten. Das Immunsystem des armen Insekts hatte keine Chance. Der Pilz überrannte jede einzelne Zelle und frass sie auf.
Die Sporen fliegen bis zu drei Zentimeter weit. Sie sind
sehr klebrig und haften darum sogar auf Glas.
Inzwischen hat sich die Fliege auf dem Fenster niedergelassen. Spätestens jetzt muss sie gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Sie blieb eine weile reglos sitzen und wollte dann ihren Motor anwerfen, um nochmals rüber zur Tomatensauce zu surren. Aber ihre Flügelmuskulatur versagte. Der Pilz hat bereits ihre Nervenbahnen gekappt. Nichts ging mehr. Bald würde er auch ihr Gehirn erreicht und ihrem Leiden ein Ende bereiten.
Fliegentöterpilze bereiten ihren Opfern einen ziemlich unschönen Abgang. Aber viel schlimmer als das ist die Demütigung, die nach dem Tod kommt. Diese Pilze missbrauchen die leblose Hülle als Abschussrampe für ihre Sporen. So gesehen hilft die Fliege ihrem Peiniger noch über den Tod hinaus beim Verbreiten seiner Verderben bringenden Saat. 
Dazu wächst der Pilz aus der Fliege heraus. Auf diese Weise bedeckt bald ein weisser Teppich ihren Körper. Jede seiner Fasern ist ein Pilzfaden, auf dessen Ende sich eine Spore befindet. Der Druck im Faden ist so gross, dass die Spore irgendwann in hohem Bogen wegkatapultiert wird. So legen sie eine Distanz von bis zu drei Zentimeter zurück. Nach einer Weile zeichnet der kontinuierliche Sporenregen einen deutlichen Hof um die tote Fliege. Eine Warnung für alle noch Lebenden, bloss nicht zu nahe zu kommen.

Donnerstag, 1. September 2011

De Foifer und s'Wäspi

Auf dem Bild sieht man 21 Münzen. Wo ist die 22.?
So viele Wespen wie es gibt, so viele Mythen gibt es über sie. Die meisten von ihnen handeln davon, wie man diese Insekten loswird. Meine Lieblings-Theorie ist folgende: Legt man kupferhaltige Münzen auf den Tisch, nehmen die Wespen Reissaus. Auf dem Internet findet man dazu verschiedene Erklärungen. Eine besagt etwa, dass die Wespen durch das Kupfer geblendet werden und so die Orientierung verlieren. Eine andere, dass sich das Kupfer in der Sonne erwärmt und dadurch unangenehm für die Wespen zu riechen beginnt.
Ich mache also einen Test. Auf den Gartentisch lege ich 22 Fünfrappenstücke. Sie bestehen zu 92 Prozent aus Kupfer. In die Mitte kommt ein Schnapsglas voll mit süssem Apfelsaft und eine halbe Zwetschge. Die Sonne scheint. Ich warte. Nach wenigen Minuten brummt schon die erste Wespe heran. Einige Schleifen später, lässt sie sich auf dem Rand des Glases nieder und streckt ihren Kopf der zuckerhaltigen Flüssigkeit entgegen.
Bereits jetzt scheint das Resultat eindeutig zu sein. Doch um ganz sicher zu gehen, lasse ich den Dingen für eine Weile ihren Lauf. Als ich nach zwei Stunden wieder vorbeischaue, schwimmen drei tote Wespen im Apfelsaft und eine weitere ist gerade dabei, sich den Magen vollzuschlagen. Als sie abfliegt, kommt auch schon die nächste herbei und als diese zum bersten gefüllt davonschwirrt, ist wieder eine neue zur Stelle. So steht das Glas fast nie allein.
Fazit: Selbst 22 Fünfrappenstücke setzen der Gier der Wespen nach Zucker nichts entgegen. Obwohl das keine wissenschaftliche Studie ist (die macht vielleicht irgendwann mal eine Uni), kann man die Mär von den Kupfermünzen wohl mit gutem Gewissen unter «Irrtümer aus dem Insektenreich» ablegen.
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