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Mittwoch, 29. Juni 2011

Die Super-Machos

Ein Libellen-Pärchen macht Rast in meinem Auto. Beim
Weiterflug prallte das Männchen (oben) gegen
die Windschutzscheibe.
Bei keinem anderen Insekt üben die Männchen bei der Paarung so viel Kontrolle aus wie bei den Libellen. Man könnte sie die Super-Machos der Insektenwelt nennen. Und ich meine damit nicht, dass Libellenmännchen ihr Territorium gegen Nebenbuhler verteidigen und darauf warten, dass ein Weibchen zu ihnen kommt (er würde nie zu ihr fliegen) – diese Sitten herrschen bei den meisten Tieren. Ich meine das, was nach dem ersten Flirt kommt.
Haben sich zwei gefunden, dann packt das Männchen mit speziellen Greifzangen am Ende seines Schwanzes das Weibchen im Nacken und lässt es bis auf weiteres nicht mehr los. Sie ist nunmehr an ihn gebunden, ob sie will oder nicht. Für ihn hat das natürlich einen grossen Vorteil. Kein anderes Männchen kann ihm seine Angebetete abspenstig machen. Egal ob ein Johnny Depp oder ein Robert De Niro der Libellenwelt gerade vorbeifliegen – das Weibchen bleibt bei ihrem Mann, fest im Griff seiner Zange.
Die darauf folgende Paarung ist etwas kompliziert. Das hat damit zu tun, dass Hoden und Penis bei den Libellen nicht am selben Fleck sitzen. Der Samen wird im Schwanzende produziert, der Penis jedoch befindet sich etwa in der Körpermitte. Zudem sind die beiden Organe nicht wie bei uns Menschen mit einem Schlauch miteinander verbunden. Das heisst, bevor es zur Sache gehen kann, beugt das Männchen sein Schwanzende samt dranhängendem Weibchen zu seinem Penis und befüllt diesen mit Samen. Damit ist die Pistole geladen.
Aber eben, für Machos ist Sex nicht einfach nur Sex. Bei ihnen geht es immer um Dominanz und um absolute Kontrolle. Wenn das Weibchen ihre Genitalien zum Penis des Männchens führt, legt dieses nicht sogleich los, sondern kratzt zuerst gründlich das Sperma vom letzten Liebhaber aus der Geschlechtsöffnung des Weibchens. Nur so kann es sicher sein, dass die Eier ausschliesslich mit seinem Samen befruchtet werden.
Nach der Kopulation ist das Weibchen keineswegs frei zu gehen. Das Männchen hält es nach wie vor fest im Griff und führt es nun zu einem Teich oder Fluss, wo die Eiablage stattfindet. Wohlgemerkt, das Männchen entscheidet, wo gelegt wird. Dazu fliegt es dicht über der Wasseroberfläche und zwingt das Weibchen dazu ihr Hinterteil einzutauchen und die Eier abzulegen. Immerhin kann sie hierbei noch ein wenig mitentscheiden. Falls ihr das Gewässer nicht zusagt, hebt sie ihren Schwanz an und signalisiert so ihrem Macho, dass sie woanders legen möchte.
Vielleicht haben die Weibchen ja doch die heimliche Kontrolle über ihre Männer? Die sind nämlich auch nicht immer ganz so unantastbar, wie sie sich geben. Vor ein paar Tagen ist ein Pärchen durch das offene Fenster in mein Auto geflogen. Auf dem Armaturenbrett gab es einen Zwischenhalt. Doch beim Weiterflug prallte das Männchen in die Windschutzscheibe und geriet in Panik. Und siehe da: im Schockzustand liess es das Weibchen los und suchte das Weite. Vielleicht war das gut für sie, denn wer möchte schon mit einem solchen Hasenfuss ins Bett?

Dienstag, 21. Juni 2011

Fungitarier

Die Holzdübel sind vom Myzel
des Austernpilzes durchwachsen.
Kühe essen unsere Welt kaputt. Mit diesem Satz machen Vegetarier uns Fleischessern oft ein schlechtes Gewissen. Aber im Grunde haben sie Recht. Damit eine Kuh ein Kilogramm Fleisch zulegen kann, muss sie das Zehnfache an Pflanzenmaterial zu sich nehmen. Das heisst in jedem 500 Gramm schweren, saftigen Steak stecken 5 Kilogramm Gras und Sojabohnen. Die müssen irgendwo angebaut werden und weil es immer mehr Fleischesser gibt, werden immer mehr Regenwälder gerodet, um den Sojafeldern oder den Wiesen Platz zu machen.
Um die Welt vor dem Untergang zu retten, können wir natürlich ganz einfach auf Fleisch verzichten. Aber das ist ja dann doch etwas langweilig für anspruchsvolle Gaumen. Aber ein etwas interessanterer Ersatz für die Kuh könnten Pilze sein. Aus denen lassen sich sogar fleischähnliche Produkte wie Würste oder Schnitzel herstellen. Und sie haben noch einen weiteren Vorteil.
Löcher in den Stamm bohren
und Dübel einschlagen.
Sie sind viel effizienter als eine Kuh – sehr viel effizienter. Austernpilze beispielsweise ernähren sich von Holz. Dabei entsteht aus jedem Gramm Holz ein Gramm Austernpilz. Oder anders gesagt: Die Austernpilze wandeln ihre Nahrung zu 100 Prozent in eigenes Gewebe um. Das heisst, aus einem Holzklotz von 10 Kilogramm gewinnt man 10 Kilogramm Pilze. Das ist eine riesige Menge.
Um die Welt zu retten, müssen wir Fleischesser also nicht gleich zum Vegetarier absteigen, sondern können beim «Fungitarier» halt machen. Ist unser Ernährungsproblem damit gelöst? Nicht ganz. Denn Pilze sind zwar sehr effizient, aber nicht gerade nahrhaft.
Ein Kilo Austernpilze hat lediglich 200 Kilokalorien. Der durchschnittliche Tagesbedarf liegt bei 2 400 Kilokalorien. Das heisst, ich muss pro Tag 12 Kilo Austernpilze essen, wenn ich satt werden will. Hochgerechnet auf die gesamte Schweizer Bevölkerung macht das 35 Millionen Tonnen Austernpilze pro Jahr.
Um diese unvorstellbare Menge heranzuziehen brauchen wir genauso viel Holz. Haben wir das? Der Schweizer Wald legt jährlich 10 Millionen Kubikmeter Holz zu. Das sind etwa 8 Millionen Tonnen also etwa ein Viertel dessen, was wir benötigen würden.
Wir sehen also: Wenn unsere Ernährung nachhaltig sein soll, dann sind auch die Pilze keine Lösung. Das soll euch aber nicht davon abhalten, in eurem Garten ein paar Austernpilze zu züchten.

Stamm 20 bis 30 Zentimeter tief
im Garten eingraben.


Hier der letzte Teil der Anleitung (erster Teil / zweiter Teil):

1. Besorgt euch von einem Bauern ein paar ein Meter lange, frische Baumstämme. Der Durchmesser ist egal.
2. Mit einer Bohrmaschine Löcher in den Baumstamm vom gleichen Durchmesser wie die Dübel bohren. In den unteren 20 Zentimeter des Stamms keine Löcher bohren (dieser Teil kommt in die Erde).
3. Die Dübel, die inzwischen vom Pilzmyzel durchwachsen sind, mit einem Hammer in die Löcher schlagen. Pro Baumstamm habe ich 40 Dübel verwendet.
4. Den Stamm an einem schattigen Ort im Garten etwa 20 bis 30 Zentimeter tief in die Erde eingraben. Bei warmem Wetter gelegentlich etwas mit Wasser übergiessen.
5. Sobald das Myzel den gesamten Stamm durchwachsen hat, spriessen die Fruchtkörper aus dem Holz hervor. Ein dicker Buchenstamm sorgt so mehrere Jahre lang für eine gute Pilzernte.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Der Vampir-Pilz

Mehltau auf der Zierdistel. Wie ein Vampir saugt er das
Blatt aus.
Eine nasse Badezimmerwand, ein feuchtwarmes Schuhklima und ein Stück Holz auf dem Waldboden haben eines gemeinsam: sie fördern das Pilzwachstum. Diese Lebewesen lieben die Feuchtigkeit. Kein Wunder wachsen viele Pilze bevorzugt unter der Erde, denn dort trocknen sie garantiert nie aus.
Aber es gibt auch die anderen. Pilze, die sich in aller Öffentlichkeit zeigen, und selbst unter der brennenden Sonne hervorragend gedeihen. Zu diesen Sonderlingen gehört der Mehltau. Er liebt das warme, trockene Wetter, das es diesen Frühling ohne Ende gab. Das Resultat ist nun auf einigen meiner Gartenpflanzen sichtbar. Meine Zierdisteln hat es besonders schwer getroffen. Ihre Blätter sind vom Pilzbewuchs schneeweiss.
Die benachbarte Kugeldistel braucht sich
vor einer Infektion nicht zu fürchten.
Jede Mehltauart geht nur auf eine
bestimmte Pflanzenart.
Der Mehltau verdankt sein üppiges Wachstum in der Frühlingshitze einem Trick. Denn auch er liebt im Grunde seines Wesens die Feuchtigkeit. Doch statt sich selbst zu ihr zu begeben, lässt er sie zu sich kommen. Wenn eine seiner Sporen auf das Blatt einer Pflanze fällt, beginnt ein kleiner Schlauch aus ihr herauszuwachsen. Berührt seine Spitze die Blattzellen, bildet sie eine Art Saugnapf aus, der sich fest mit der Oberfläche verbindet.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Wasser noch in weiter Ferne. Die Oberflächen von Blättern sind meist mit einer dünnen Wachsschicht überzogen. Da bleibt kein Tropfen Feuchtigkeit hängen. Aber unter der Wachsschicht im Innern der Blattzellen, gibt es Feuchtigkeit in Hülle und Fülle. Dorthin will der Pilz.
Dazu treibt er unter dem Saugnapf eine Art Bohrer aus, mit dem er sich nun langsam einen Weg in das Innere der Blattzellen bahnt. Das ist nicht einfach. Pflanzen haben viele Strategien zur Abwehr von solchen Attacken entwickelt. Sie produzieren zum Beispiel Chemikalien, um Pilze unschädlich zu machen. Diese Mittel sind so effektiv, dass in der Tat viele Pilze keine Chance haben, in das Innere einer Pflanze vorzudringen. Doch beim Mehltau ist das anders.
Von ihm gibt es einige Hundert Arten und die meisten davon haben sich auf eine einzige Pflanzenart spezialisiert. Das heisst, sie haben die letzten paar Millionen Jahre damit verbracht, die Verteidigungsstrategien ihrer Zielpflanze zu umgehen. Darum muss ich mir keine Sorgen machen, dass der Mehltau auf meine Tomaten überspringt. Seine Tricks funktionieren nur bei der Zierdistel.
Wenn der Bohrer erst einmal in der Blattzelle angelangt ist, hat der Pilz gewonnen. Fortan entzieht er der Pflanze die Nährstoffe und Feuchtigkeit, die er zum Leben braucht. Wie ein Vampir saugt er die Blätter aus. Viele Nutzpflanzen wie Weizen oder Weinreben (sie haben ihre eigenen Mehltauarten) vertragen das nicht und sterben ab, oder werfen zumindest ihr Laub ab.
Aber Mehltau ist nicht nur ein Schädling. Der Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer ernährt sich ausschliesslich von ihm. Darum lasse ich meine verpilzten Disteln stehen – als Nahrungsquelle für die kleinen Insekten.

Dienstag, 7. Juni 2011

Lust auf Fleisch

Das schwimmt der Julikäfer, der letzte Woche noch fröhlich
über meinen Rasen schwirrte.
Früher, als noch echte Wanderer und Landstreicher durch Europa zogen, brauchte man sich über den nächsten Schluck Wasser keine Gedanken zu machen. Allenthalben wuchsen Karden an den Wegrändern, Äckern und Böschungen. Die Landwirtschaft nahm es zu jener Zeit noch viel gemütlicher als heute, setzte weniger Dünger ein und Pestizide gab es auch noch keine. Ideale Bedingungen für Unkräuter wie die Karde eben.
Diese Pflanze hat die Besonderheit, dass ihre Blätter immer paarweise aus dem Stengel wachsen. An ihrem Grund bilden sie eine Art Schale, in der sich das Regenwasser sammelt. Wenn also der Durst über den Wanderer kommt, braucht er seinen Mund nur an dieses Reservoir zu führen und die Karde dabei etwas vorzuneigen.
In meinem Garten wachsen auch einige dieser eigentümlichen Pflanzen und ich wollte mich testweise an ihrem Wasserspeicher erfrischen. Doch als ich sah, was sich da alles in diesen kleinen Pfützen tummelt, ist mir der Durst vergangen. Praktisch in allen Schalen gibt es eine Ansammlung von toten Insekten. Da liegen die Leichen von den Julikäfern, den Mücken, den Rüsselkäfern und den Blattläusen. In einer strampelte eine Schlupfwespe um ihr Leben, doch sie war hoffnungslos verloren. Der Stiel, an dem sie sich hätte halten können, war viel zu rutschig.
In wenigen Wochen werden die Karden
einen solchen Blütenstand bilden. Und
bald darauf produziert sie Hunderte
von Samen. Das ist wohl auch ein
Grund, warum Bauern heute keine
grosse Freude mehr an diesen
Pflanzen haben.
In mancher Schale gab es sogar schon wieder neues Leben. Kleine Würmer ernährten sich von den hineingefallenen Insekten. Nein, dieses Wasser kann man beim besten Willen nicht trinken. Vielleicht hatten die Wanderer früher nichts anderes und waren in der Sommerhitze dankbar für jeden Tropfen Flüssigkeit.
Aber was bezweckt die Karde damit? Ist es etwa ihre Absicht, so viele tote Insekten auf ihren Blättern anzusammeln? Vielleicht. Tote Insekten sind eine andere Form von Dünger. Es könnte sein, dass die Karde einige der Nährstoffe in diesen Verwesungspfützen über ihre Blätter aufnimmt. Die extra Portion Dünger könnte sie gut gebrauchen, wächst sie doch bevorzugt an nährstoffarmen Standorten. Vielleicht ist es einer ihrer Tricks, wie sie es schafft, dort trotzdem gut zu gedeihen.
Die Karde ist möglicherweise gerade dabei, eine echte fleischfressende Pflanze zu werden. Die berühmten Kannenpflanzen von Borneo bilden spezielle Blätter, die aussehen wie Töpfchen. In ihnen befindet sich neben Wasser auch noch Verdauungsenzyme, die der Pflanze helfen, die Insekten zu zersetzen. Genau das mag der nächste Entwicklungsschritt in der Evolution der Karde sein – wenn ihre Lust auf Fleisch gross genug ist.
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