Das Leben der Blattläuse in meinem Garten gibt es jetzt als Comic. Hier bestellen.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf

Wenn der japanische Ahorn die Nährstoffe aus seinen
Blättern saugt, zerstört er dabei die grünen Farbstoffe.
Zurück bleibt ein leuchtendes Orange.
Jedes Jahr macht uns die Natur in einem farbenprächtigen Schauspiel vor, was man mit beschränkten Ressourcen machen sollte: rezyklieren. Wenn die Blätter sich gelb, rot und orange verfärben ist das nicht Ausdruck des Alterns und des Todes. Ganz im Gegenteil. Es zeigt lediglich, wie umsichtig die Natur mit ihren Rohstoffen umgeht.
Die Blätter sind mit ihren sechs oder sieben Monaten sehr junge Gebilde. Der Grund für ihren rapiden Zerfall ist, weil der Baum es so will. Forscher wissen heute bereits, dass Hunderte von Genen am Alterungsprozess eines Blattes beteiligt sind. Der Baum schaltet sie ein, sobald er seine Blätter rezyklieren will. 
Dazu muss er jede einzelne Zelle eines Blattes ausräumen. In ihnen stecken Aminosäuren, die der Baum beispielsweise zur Ausreifung seiner Früchte gut gebrauchen kann. Die meisten Nährstoffe stecken in den Chloroplasten. Das sind die Solarzellen der Pflanzen, mit denen sie aus Sonnenlicht, Wasser und CO2 Zucker herstellen. In jeder Blattzelle gibt es mehrere von ihnen und sie sind voll mit wertvollen Stickstoffverbindungen.
Dabei baut er auch den in den Chloroplasten enthaltene grüne Farbstoff ab. Andere Farbstoffe, die in weit geringerer Konzentration in den Zellen vorhanden sind, kommen nun zum Vorschein. Das Blatt verfärbt sich. Die Herbstfarben sind also kein Mahnmal für Alter und Tod, sondern vielmehr eine Erinnerung daran, dass sogar ein einfaches Blatt zu kostbar ist, um es einfach wegzuwerfen.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Leuchtender Reis

Einen Holzdübel mit dem Pilz wirft man einfach in ein
Konfitürenglas mit abgekochtem Reis.

Weltweit gibt es 71 Pilzarten, die von sich aus leuchten. Eine von ihnen befindet sich seit kurzem in meinem Besitz. Es ist der Eichen-Zwergknäuling Panellus stipticus. Im Aussehen gleicht er Austernpilzen, er ist jedoch ungeniessbar. Doch dafür leuchtet er ganz wunderbar.
Hinter dieser Eigenart steckt dieselbe chemische Reaktion, wie sie auch das Glühwürmchen einsetzt, um sein Hinterteil erstrahlen zu lassen. Dabei wird ein Stoff namens Luciferin mit Sauerstoff abgebaut und es entsteht Licht.
Licht aus und schon sieht man das Leuchten.
Oben: Der Deckel des Glases ist noch
zugeschraubt. Der Pilz kriegt nur wenig
Sauerstoff und leuchtet nur schwach.
Unten: Der Deckel ist weg und nach 20
Minuten leuchtet der Pilz viel stärker
Warum manche Pilze leuchten, ist bis heute ein Rätsel. Einige Forscher vermuten, dass er damit kleine Insekten anlockt, die den Pilz fressen und so seine Sporen weiter verbreiten. Bewiesen hat es bis heute niemand.
Eichen-Zwergknäulinge kann man im Internet bestellen. Da der Pilz sich von Holz ernährt, wird er oft auf Holzdübeln in einem Konfitüreglas verschickt. Die Dübel sind einfach zu handhaben und lassen sich bequem auf andere Wachstumsmedien übertragen. Mein Exemplar habe ich auf Reis gebracht. Das Verfahren ist dasselbe wie beim Kräuterseitling.
Er scheint Reis wirklich zu mögen. Nach einem Monat ist das halbe Konfitüreglas bereits durchwachsen. Das Mycel (die weissen Pilzfäden) leuchtet sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Man sieht es aber nur in einem dunklen Raum.
Da es für die Leuchtreaktion Sauerstoff braucht, sollte man den Deckel vom Glas abnehmen und den Pilz für zwanzig Minuten frische Luft atmen lassen. So verdoppelt sich die Leuchtintensität.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Die Ödipus-Wespe

Dass sich die Mauerbienen so gut eingemauert haben, nützt
ihnen wenig. Die Erzwespe kaut sich einen Weg zu
ihnen durch.
Die besten Geschichten schreibt nicht Shakespeare oder ein Dichter des Alten Griechenlands. Nein, es ist die Natur selbst. Eines dieser wandelnden Dramen ist kürzlich bei meinem Wildbienenghetto aufgetaucht. Es ist die Erzwespe Melittobia acasta. Sie ist nur ein paar Millimeter gross. Gleich mehrere Weibchen haben sich auf den zugemauerten Eingängen zu den Nestern der Roten Mauerbiene versammelt.
Sie haben es auf die Puppen abgesehen, die in den Nestern auf den Frühling warten. So wie es aussieht, werden diese den Frühling jedoch nicht mehr erleben. Die Erzwespen haben extrem starke Mandibeln, mit denen sie sich sogar durch Plastik nagen können. Es wird ein leichtes für sie sein, einen Gang durch das Mauerwerk zu fressen und an die Puppen zu gelangen.
Dort angekommen werden sie mit ihrem Stachel ihr Opfer punktieren. Am austretenden Blut laben sie sich. So gestärkt, beginnen sie nun mit dem Legen der Eier. Diese sind äusserst klebrig und bleiben auf der Puppe wie feuchte Bonbons haften.
Ausserdem sind die Eier alle unbefruchtet. Das heisst, aus ihnen schlüpfen ausschliesslich männliche Larven. Sie ernähren sich von der Puppe bis sie ausgewachsen sind und sich selbst in einen Kokon hüllen. Während der ganzen Zeit wacht die Mutter neben ihrer Brut. Sobald die fertigen Männchen aus ihren Kokons schlüpfen, tragen sie erbitterte Kämpfe untereinander aus. Um wen wird hier gestritten? Um die Mutter. Denn der stärkste ihrer Söhne darf sich mit ihr paaren.
Nun besitzt sie einen der begehrtesten Stoffe in der Natur: Sperma. Mit ihm kann sie nun endlich befruchtete Eier legen. Aus ihnen schlüpfen ausschliesslich Weibchen. Sie krabbeln wieder ans Tageslicht und schwärmen aus auf der Suche nach einem neuen Opfer.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Die Klon-Krebse

Zwei genetisch identische Weibchen. In ihren Eierstöcken
sind die Langzeiteier gut sichtbar. Vermutlich spüren sie
anhand der hohen Salzkonzentration, wann ein Becken
austrocknet.
Postkarte aus den Ferien in Ibiza: Seit Jahrhunderten wird in den Salinen von Ibiza Salz aus Meerwasser gewonnen. Verschiedene Becken verdunsten das Wasser bis nur noch das gleissend weisse Salz übrig bleibt. Die meisten Touristen fahren auf dem Weg zum Strand an dieser historischen Anlage vorbei, ohne gross Notiz von ihr zu nehmen. Dabei spielt sich in ihr ein aussergewöhnliches Naturschauspiel ab.
Denn in den Verdunstungsbecken gibt es Leben. Millionen von kleinen Salzkrebschen tummeln sich in der Brühe. Sie gehören stammesgeschichtlich zu den Krebstieren, doch werden sie nur ein bis zwei Zentimeter gross. Auch bei der Panzerung unterscheiden sie sich vom Hummer oder von der Krabbe erheblich. Das Aussenskelett der Salzkrebschen ist so dünn, dass es durchsichtig ist. Der Darm und die Eierstöcke sind gut erkennbar.
Unzählbar viele Krebschen schwimmen durch die Brühe. Sie
ernähren sich von kleinen Algen.
Im Meer würden diese zierlichen Kleinkrebse nicht lange durchhalten, weil es dort viel zu viele Räuber gibt. Zudem sind sie wegen ihrer rötlichen Färbung sehr auffällig und darum ein leichtes Ziel für die Fische. Genau aus diesem Grund haben sie sich auf extrem salzhaltige Gewässer spezialisiert. Salzseen sind ihr natürlicher Lebensraum aber ebenso lieb sind ihnen künstlich angelegte Salzbecken wie die Salinen.
Dort kann die Salzkonzentration bis zu 100 Prozent erreichen. Den kleinen Krebsen macht das nichts aus. Ich habe sie in Becken schwimmen sehen, in denen der Untergrund bereits mit kristallisiertem Salz bedeckt war. Wenn man die Hand dort rein hält, fühlt sich das Wasser irgendwie schmierig an. Die kleinste Wunde würde brennen wie die Hölle. Ein Spritzer in die Augen wäre auch nicht gerade lustig. Unter solchen Umständen könnten Meerwasserfische keine Sekunde überleben. Gut für die Krebse. Denn so haben sie ihre Salinen für sich und werden nicht von Räubern belästigt.
Die Salzkrebschen in Ibiza gehören zur Art Artemia parthenogenetica. Das Besondere an ihr ist, dass sie ausschliesslich aus Weibchen besteht. Sie haben im Verlaufe der Evolution die Fähigkeit entwickelt, ohne Sex Nachkommen zu zeugen. Die Männchen sind völlig überflüssig geworden. Das hat zur Folge, dass jedes Jungtier eine identische Kopie der Mutter ist. In der Biologie nennt man das einen Klon. Sobald die Jungtiere erwachsen sind, schwellen ihre Eierstöcke wie von Zauberhand an und sie beginnen damit, selbst Nachkommen zu gebären.
Wenn die Mütter in einem Becken schwimmen, das kurz vor dem Austrocknen ist, legen sie Langzeiteier. In ihnen befinden sich fertig entwickelte Babys, die eine Art Winterschlaf machen. So können sie jahrelange Trockenzeiten überstehen. Wenn sich dann das Becken wieder mit neuem Wasser füllt, befreien sich die Babys innerhalb von 24 Stunden aus ihrer Verpackung und gründen eine neue Kolonie von Klon-Krebsen.
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...