Das Leben der Blattläuse in meinem Garten gibt es jetzt als Comic. Hier bestellen.

Freitag, 30. Juli 2010

Der Anti-Garten

Die Rückseite der Holzbeige.
Die Welt ist eine Fassade. Make-up umrahmt das hübsche Lächeln, überdeckt die Falten, die Gräben, die Löcher und Untiefen, damit wir nicht die nackte Wahrheit hinter der scheinbaren Schönheit erfahren, denn die ist vielleicht alles andere als schön – oder dann von einer Schönheit, die sich nicht so einfach geniessen lässt.
Mit den Gärten ist es genau gleich. Hier ein paar Malven, dort eine Reihe Sonnenblumen und da einige Nelken nett zurechtgemacht im Plastiktopf-Korsett. Der Rasen gemäht, die Holzbeige wasserdicht abgedeckt und die Steinplatten gefegt. So erstrahlt der Garten wie ein frisch geölter Schildkrötenpanzer; ein blendender Glanz, der uns die Schildkröte im Panzer drinnen vergessen lässt. Doch heute nicht. Heute durchbreche ich die Fassade. Heute klettere ich zur Abwechslung hinter die Holzbeige.
Sie steht dort neben dem Komposthaufen schon seit Jahren. Still, bescheiden, das Wetter geduldig aushaltend, wohl behütet unter einer grünen Plastikplane. Der Weg auf die andere Seite ist nicht einfach. Rechts versperrt mir die Japanische Zierkirsche den Zugang, links ein Gebüsch. Ich mache also einen grossen Bogen und kämpfe mich von hinten an die unschöne Seite der Holzbeige heran.
Die Welt, in die ich eintauche, ist dunkel und voller Schatten. Eine niedrig wachsende Eibe ist für die düstere Atmosphäre verantwortlich. Es ist still hier, nichts bewegt sich. Die Holzscheite sind feucht und mit einer bunten Parade von Pilzen bewachsen. Die sind ganz begierig nach dem Material, mit dem ich eigentlich im Herbst meinen Kamin heizen möchte.
Aus dem Moder spriesst ein Efeu-Keimling.
Der Boden ist mit einer dicken Schicht Laub bedeckt. Ein seltener Anblick in einem herausgeputzten Garten. Laub – der Innbegriff der Unordnung. Aber hier darf es noch vermodern und verrotten. Hierhin verirrt sich kein Rechen. In den faulenden Blättern sind Mikroben gerade dabei die Masse wieder in Nährstoffe für die Pflanzen umzuwandeln. Ein Prozess, ohne den wir keine Sekunde auf der Erde überleben würden.
Und da, aus dem Zerfall hervor, spriesst ein Efeu-Keimling. Er trotzt dem ewigen Schatten dieser Nische und tastet sich langsam aber stetig der Sonne entgegen, obwohl ihre Strahlen noch nie auf seine Blätter gefallen sind und ihm gezeigt haben, dass er sie tatsächlich braucht. Und so offenbaren sich im Moder hinter der Holzbeige die ewigen Prozesse, die einen Garten am Leben halten: Zerfall, Recycling und Wiedergeburt.

Montag, 26. Juli 2010

Naturschutz zum Essen

Die Raupe des Schwalbenschwanzes kurz nach
dem Schlüpfen: schwarz und stachelig.
Vermutlich kriegen die meisten von euch beim Wort «Fenchel» eine Gänsehaut oder mindestens einen Anfall von Übelkeit. Zu viele traumatische Erinnerungen haften an dieser Nutzpflanze, angefangen beim Fenchel-Tee, den einem die Eltern schon als Baby eingeflösst haben, bis zum gesottenen Fenchel-Gemüse, das jeweils neben dem Schnitzel auf dem Teller lag («Das Gemüse wird auch aufgegessen!») und einen ganz und gar deplazierten Eindruck machte.
Vielleicht ist das der Grund, warum es heute nur noch die alten Schrebergärtner sind, die ihn anbauen. Alle andern lassen mit gutem Recht die Finger davon und genau das ist das Problem. Denn es gibt einen Gartenbewohner, der seinen Kindern diese Köstlichkeit auf keinen Fall vorenthalten will: der Schwalbenschwanz.
Zwei Wochen später sieht sie schon
hübscher aus.
Der Schmetterling legt seine Eier auf dem Fenchel ab und die schlüpfenden Raupen machen sich mit Heisshunger über das Grünzeug her. Ebenso gerne verzehren sie auch Karotten oder Dill. Aber weil beide einige Zeit brauchen, um zu keimen und zu futterwürdiger Grösse heranzuwachsen, legen die Schwalbenschwanz-Schmetterlinge ihre Eier meist auf Fenchel ab. Dieser kommt schon im Mai als Setzling in den Garten – bereit für den Verzehr.
Die kleinen Raupen fressen sich in nur wenigen Wochen so dick, dass sie sich verpuppen. Dazu suchen sie einen geschützten Ort auf wie zum Beispiel einen Baum oder eine Hauswand. Das passiert in der ersten Hälfte des Junis. Bald darauf schlüpfen die neuen Schwalbenschwänze. Die paaren sich und legen die zweite Generation Eier ab. Diese Raupen fressen bis Mitte Juli bevor sie sich verpuppen.
Bei der ganzen Fresserei arbeitet die Zeit immer gegen die Raupen. Denn der Schrebergärtner mit Appetit auf Fenchel wird diesen sicher irgendwann im Juni ernten. Lässt er ihn länger stehen, wird das Gemüse zäh. Das heisst, die erste Generation Raupen schafft es vielleicht gerade noch, sich beizeiten zu verpuppen. Doch die zweite kommt garantiert unter das Küchenmesser.
Kurz vor dem Verpuppen zeigt die Raupe
ihre ganze Farbenpracht.



Wer den seltenen Tagfaltern also einen gefallen tun möchte, lässt den Fenchel bis in den Juli stehen. Und da heute ja sowieso niemand mehr ernsthaft Fenchel isst, können die Pflanzen ruhig etwas zäh werden. Wer am Ende doch noch Lust bekommt, hier ist das Rezept: Die Knollen in vier Stücke schneiden, mit Olivenöl bestreichen, anschliessend mit etwas Salz und fein geschnittenem Rosmarin würzen. Auf einem Backpapier auslegen und bei 150 Grad Celsius 45 Minuten backen. Wird garantiert butterzart – auch nachdem die Raupen mit ihm fertig sind.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Karibische Tief-Flieger

Die Blüten der Kugeldisteln sind für Insekten, was die
Karibik für uns Menschen ist: unwiderstehlich.
Der Princess Juliana Flughafen in der Karibik zählt zu den gefährlichsten der Welt, weil die Piste gleich hinter einem Strand beginnt, auf dem sich die Touristen in der Sonne bräunen*. Fliegt der Pilot ein wenig zu tief, gibt es ein Massaker. Er selbst wird von seinem fliegerischen Unvermögen kaum betroffen. Doch es gibt einen Flughafen, der unfähige Kapitäne mit dem Tod bestraft. Er befindet sich gleich neben der Hauswand in den Kugeldisteln.
Dort haben sich die runden Blütenköpfe jetzt geöffnet und locken Schmetterlinge, Bienen, Schwebefliegen und sogar Wespen an. Die sichere Art zu landen und zu starten ist die: steil anfliegen und genauso auch wieder abheben. Das funktioniert in vielen Fällen ganz gut. Aber vor allem die Honigbienen haben ab und zu Schwierigkeiten mit ihren Motoren und verlieren für Sekundenbruchteile ihre volle Leistung. Das hat unmittelbare Konsequenzen auf die Flughöhe. Die Bienen sacken mehrere Zentimeter ab.
Wer zu tief fliegt, geht einer
Spinne ins Netz.
Und genau das ist noch viel gefährlicher als einem Tourist mit dem Reifen den Schädel abzurasieren. Denn der ganze Luftraum unter den Blüten der Kugeldisteln ist mit einem Gewirr von Spinnennetzen durchzogen. In ihnen machen Bienen mit Motorschaden eine Bruchlandung. Wenn sie Glück haben, kommen sie durch eine sofortige Erhöhung der Schubkraft in wenigen Augenblicken wieder frei – bevor die Spinne sie mit ihren Fäden festzurrt. Die Pechvögel allerdings bleiben im Netz hängen und müssen es erleben, dass sie von einem Raubtier ausgesaugt werden, dessen Körper gerade mal so gross ist wie eines ihrer Augen.
Wie gesagt, wer steile Landungen und Starts hinlegt, entgeht diesem Schicksal. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass sich die Blüten alle auf unterschiedlichen Höhenstufen befinden. Wer also alle Nektarquellen besuchen möchte, muss in das Spinnennetz-Labyrinth abtauchen und hoffen, mit keinem der Tausenden von Fäden zu kollidieren. Da ist die Landung in der Karibik ein reines Zuckerschlecken.

*Und so sieht es aus:

Montag, 19. Juli 2010

Der globale Palmenwald

Nach drei Jahren ist meine Kanaren-
palme noch kein zehn Meter
hoher Riese.
Auf der Insel wächst sie bis in eine Höhe von tausend Metern über Meer, ohne sich an der Kälte zu stören. Ebenso wenig interessiert sie die Trockenheit, denn ihre Wurzeln dringen tief in das poröse Lavagestein ein und ziehen den letzten Rest Feuchtigkeit aus ihm heraus. Dabei ist sie flexibel genug, um nach anhaltenden Regenfällen über längere Zeit im Wasser stehen zu können, ohne dabei Schaden zu nehmen. Unter den Palmen ist sie unübertroffen, was ihre Anpassungsfähigkeit angeht.
Doch es gibt einen Umwelteinfluss, vor dem auch die Kanarenpalme (Phoenix caraniensis) kapituliert. Er traf zum ersten Mal Ende des 15. Jahrhunderts mit spanischen Segelschiffen auf den Kanaren ein. Der Mensch. Dieser rodete die fantastischen Palmwälder, um so Platz für Landwirtschaft und Gebäude zu schaffen. Von den einst riesigen Waldflächen stehen heute nur noch Restbestände. Die Kanarenpalme, so scheint es, hat ihre besten Zeiten hinter sich.
Zu allem Überfluss bringen die Menschen nunmehr auch gefährliche Fremdlinge auf die Inseln, wie die Echte Dattelpalme (Phoenix dactylifera). Sie ist eine nahe Verwandte der Kanarenpalme. Zu nahe verwandt, möchte man sagen. Denn ihr Pollen, der kilometerweit durch die Luft fliegen kann, landet auf den weiblichen Blütenständen ihrer Cousine, was zu Sex unter Verwandten führt. Die Nachkommen sind Hybride, also ein Gemisch aus beiden Arten. Diese ihrerseits bilden nicht wie das Maultier (die Kreuzung zwischen Pferd und Esel) eine reproduktive Sackgasse, sondern bringen keimfähige Samen hervor. So zerfliesst das einmalige Erbgut der Kanarenpalme langsam im wilden Treiben der Bäume. Die Art scheint dem Untergang geweiht zu sein.
Interessanterweise ist genau das Gegenteil der Fall. Wegen ihrer Unempfindlichkeit sind sie heute die Lieblinge auf Terrassen, Balkonen und Wintergärten und in jedem Schweizer Gartenzentrum kann man sie ab der Stange kaufen. Mein Exemplar habe ich 2007 als Samen von Teneriffa mitgebracht. Man könnte sagen, sie ist eine Pflanze, die ihrer Heimat beraubt wurde und dafür eine ganze Welt bekam.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Mikro-Klima

Am Grund von ungemähtem Rasen herrschen 24 Grad
Celsius. Ist das Gras allerdings geschnitten, liegt die
Temperatur um 2 Grad höher. Längere Halme,
mehr Schatten, kühlere Luft.
Heute Abend klebt mir mal wieder mein Hemd auf dem Körper. Die Lufttemperatur beträgt 25 Grad Celsius und ich kann mich vor ihr nicht verstecken. Auf dem Sitzplatz, im Gemüsebeet, in der Küche – es ist überall gleich heiss. Wäre ich allerdings nur einen Zentimeter gross, sähe die Sache schon anders aus. Im Ökosystem des Gartens mit den vielen kleinen Nischen variiert die Temperatur bisweilen sehr stark.
Das Wasser in der Vogeltränke ist zum Beispiel nur 21 Grad warm. Welch eine schöne Abkühlung das doch wäre! Das Gleiche im Schatten des Rasens. An der Basis der Gräser herrschen ebenfalls angenehme 21 Grad. Leider bin ich 1000 Mal zu gross, um das geniessen zu können.
Zehn Zentimeter tief im Gartenbeet sind es bei
Sonnenuntergang immer noch 27 Grad. Der grösstenteils
brache Boden nimmt während des Tages die Wärme auf
und speichert sie. Unter dem Rasen nebenan ist es
ganze 6 Grad kühler.

Allerdings gibt es auch Orte, an denen die Temperatur noch unangenehmer ist als in meiner Küche. Unten im Trichter des Ameisenlöwen einen Zentimeter unter der staubtrockenen Erde ist es jetzt 26 Grad. Während der Mittagshitze war es dort sicher weit über 30 Grad heiss. Der arme Kerl kam wohl ganz schön ins Schwitzen! Brachliegende Erde heizt sich in der Sonne auf wie eine Steinplatte.
Noch schlimmer sind die Bedingungen auf der Asphaltstrasse, die an den Garten grenzt. Sogar jetzt im Sonnenuntergang sind es noch 30 Grad. Gleich daneben liegt die Einfahrt, die mit Betonpflastersteinen besetzt ist: 28 Grad. Dort leben die Flechten das ganze Jahr über. Zähe Burschen sind das. Im Winter ertragen sie Eis und Schnee und im Sommer werden sie 16 Stunden an der Sonne geröstet.

Montag, 12. Juli 2010

Der Ameisenlöwe

Die Ameise am Grund des Trichters. Das Gift hat ihren
Körper bereits gelähmt. Ihre Organe verflüssigen sich
gerade.
Es geht ganz schnell. Die Blattlaus stolpert über den Rand des Trichters und findet sich im nächsten Augenblick an seinem Grund wieder. Ein gefährlicher Ort, denn nur wenige Millimeter unter ihr im staubtrockenen Erdreich lauert ein gefrässiges Insekt – der Ameisenlöwe. Die Blattlaus scheint so etwas in der Art zu vermuten, rafft sich auf und versucht mit allen Kräften, den äusserst rutschigen Hang hochzukommen. Es ist vergebliche Mühe. Immer wieder fällt sie bis nach ganz unten, immer wieder rutscht die Erde unter ihren Füssen weg. Sie sitzt in der Falle. Ihr einziges Glück ist, dass sie zu klein für den Sandlöwen ist. Er wartet auf grössere Beute.
Ich gebe sie ihm. Von einer nahen Steinplatte nehme ich vorsichtig eine Ameise und werfe sie hinab in den wenige Zentimeter tiefen Trichter. Sogleich strampelt sie wie wild und unterschreibt so ihr Todesurteil. Der Ameisenlöwe erkennt an den heftigen Erschütterungen, dass sein Abendessen eingetroffen ist. Er bewirft die Ameise mit Erde, ohne dabei selbst je aus ihr hervorzukommen. Nach drei Ladungen ist die Ameise bereits mit dem halben Körper eingesunken. Ein stechender Schmerz fährt durch sie. Es ist das Letzte, was sie je spüren wird. Der Ameisenlöwe hat sie gebissen und ihr dabei ein starkes Gift injiziert. Es lähmt sie innert Sekunden.
Der Ameisenlöwe ist die Larve der Ameisenjungfer, eines
libellenartigen Insekts. Man kann ihn mit einem
Kaffeelöffel leicht aus seinem Trichter ausheben, um
ihn sich genauer anzuschauen. Danach baut er sich einen
neuen Trichter.
Um sie zu verspeisen, beisst er nochmals zu und spritzt Verdauungssäfte in sie hinein. Diese verflüssigen ihre inneren Organe. Der Ameisenlöwe kann sein Opfer danach bequem aussaugen. Seiner Beute sicher, zieht er die Ameise jetzt ganz in sein Reich hinab. Sie verschwindet und zurück bleibt nichts als ein leerer Trichter, der bereit für den nächsten unachtsamen Spaziergänger ist.



Mehr über dieses Insekt und seine Lebensweise auf Wikipedia.

Freitag, 9. Juli 2010

Mikado-Sutra

Ein flüchtiger Einblick in die verborgene Welt der
Stelzfliegen. Hier sind sie gerade bei der Paarung.
Ab und zu öffnet sich in einem unerwarteten Augenblick zwischen Gemüsebeet und Rasen ein Tor in eine gänzlich unbekannte Welt. Ich strecke gerade meinen Kopf in die Königskerzen, als genau das passiert. Auf einem Blatt sitzen eng umschlungen zwei sehr eigenartige Insekten. Sie sehen aus wie überdimensionale Mücken. Doch was ich da vor mir habe, sind keine Blutsauger, sondern Aasfresser. Sie gehören zu einer Familie, über die selbst die Wissenschaft nur sehr wenig weiss. Es sind Stelz-Fliegen (Micropezidae). Sie heissen so, wegen ihrer langen Beine.
Ihre Nahrung besteht aus verfaulten Früchten und anderem Pflanzenmaterial und einige Forscher haben sie sogar auf menschlichen Exkrementen beobachtet. Ihre Larven entziehen sich dem Blick der Wissenschaft fast vollständig. Auch sie leben in verrottenden Pflanzenteilen und verpuppen sich dort. Ich vermute mal, dass ich sie im Komposthaufen wieder finden würde – wenn ich wüsste, wie sie aussehen.
Ein weiteres Rätsel ist ihr Paarungsverhalten. Eine der ersten Beschreibungen stammt von Clifford Berg, einem Forscher, der während des 2. Weltkriegs auf den Salomonen stationiert war, um Malaria zu bekämpfen. Er schrieb in seiner Studie: «Die Paarung findet normalerweise auf einem grossen Blatt statt. Das Männchen und das Weibchen bleiben zehn bis fünfzehn Minuten zusammen, manchmal still stehend und manchmal spazierend.» Das war 1947 und seither ist die Literatur über die Stelzfliegen (besonders die über ihr Sexleben) eher dürftig geblieben. In der Zentralbibliothek Zürich gibt es nur zwei alte Bücher über sie.
Was ihre Paarung betrifft, so habe ich Glück, dass ich sie gerade dabei erwische. Wenn man in Gedanken erst einmal das mikadoartige Gewirr von Beinpaaren geordnet hat, zeigt sich, dass das Männchen offenbar eine sehr komfortable Stellung einnimmt. Seine vorderen Beinpaare halten das Weibchen um die Taille fest. Mit dem mittleren Beinpaar presst er ihren Bauch gegen seinen Penis und das hinterste Paar lässt er einfach in der Luft hängen. Das arme Weibchen trägt also ihren Liebhaber mit sich herum.

Montag, 5. Juli 2010

Im Gewitter aufgelöst

Eine graue Wand aus Wasser kommt hinter der Biene
immer näher. Sie jedoch sammelt ungestört weiter.
Die Blätter der Akazie zittern nervös der grauen Wand entgegen, die sich von Westen nähert. Der lang gestreckte Hügelrücken am Horizont – eine Moräne, die der Gletscher vor 10 000 Jahren dort liegengelassen hat – wird bleicher und bleicher, bis er vom Gewitter ganz verschluckt wird. Die Windgeschwindigkeit steigt und jetzt fuchteln auch die Äste der Eiche wie Staubwedel durch die Luft.
Die Bienen im Garten scheint das herannahende Unwetter nicht zu kümmern. Sie sind beschäftigt mit Nektar einsammeln und messen dem Temperatursturz von 32 hinunter auf 26 Grad Celsius offenbar keine Bedeutung zu. Warum auch? Bienen benötigen eine Mindesttemperatur von nur 12 Grad Celsius, um Flugzüchtigkeit zu erlangen. Und so weit wird das Thermometer heute nicht fallen. Also sammeln die fleissigen Insekten, was das Zeug hält. Ihr Eifer ist erstaunlich: Im besten Fall besucht jede von ihnen 3 000 Blüten pro Tag und kann so bis zu einem halben Gramm Nektar zum Stock zurückbringen (in mehreren Flügen). Das ist das Vierfache ihres eigenen Körpergewichts. Umgerechnet auf den Menschen bedeutet das, 300 Kilogramm Gepäck über eine Distanz von 10 Kilometern zu schleppen (so weit ist es von der Blüte bis zum Bienenstock). Oder 30 Kilogramm 100 Kilometer weit und das in den 15 Stunden, in denen die Sonne am Himmel steht. Diesen Marathonläufer möchte ich sehen.
Nach dem Gewitter bedeckt ein Wasserfilm die Blüten.
Von den Bienen fehlt jede Spur.
Doch heute sind bei den Bienen in meinem Garten keine Höchstleistungen angesagt. Die Regenwand fegt über uns hinweg und dicke Tropfen fallen wie Wasserbomben auf die Blütenpracht hernieder. Erst jetzt wird es den Insekten zu ungemütlich. Ich versuche angestrengt auszumachen, wo sie Schutz suchen, aber vergebens. Die Bienen scheinen sich einfach aufgelöst zu haben. Als ich nach dem Regen unter jede Blüte und jedes Blatt schaue, finde ich keine von ihnen. Kann es sein, dass sie es noch im Inferno zurück zum Stock geschafft haben?
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