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Sonntag, 13. Dezember 2009

Die Winter-Exhibitionisten #1

Eine Primel blüht noch Mitten im Dezember.
Bevor eine Ringelblume zu blühen beginnt, ist sie nicht viel mehr als Moos. Das tönt jetzt etwas respektlos, aber es stimmt. Ihre Zellen teilen sich in monotoner Abfolge und produzieren dabei ein Blatt nach dem anderen. Man kann in die Ferien gehen und wieder zurück kommen und die Ringelblume hat sich nur insofern verändert, als dass sie statt 5 Zentimeter nun 15 Zentimeter hoch ist und viel mehr Blätter hat als vorher. Ein Blatt, noch ein Blatt und noch ein Blatt. Das ist das Leben so ziemlich jeder Pflanze vor dem Blühen.
Wir Menschen denken uns dabei – weil wir dem Leben dauernd eine höhere Berufung geben müssen – dass das Leben einer Pflanze interessanter und erfüllter wäre, wenn sie nur endlich so etwas Wunderbares wie eine Blüte hervorbringen würde. Doch genau in diesem Punkt würde wohl jede Pflanzenart widersprechen. Denn Blühen ist sehr anstrengend. Es ist die Hölle, um genau zu sein. Der Prozess verbraucht einjährige Pflanzen wie die Ringelblume so sehr, dass sie danach sterben. Für sie ist Blühen blanker Selbstmord. Natürlich ist es ein Opfer, das dem Wohl der nächsten Generation dient, aber es ist dennoch Märtyrertum. «Seht her, ich gebe mein Leben für meine Kinder!» Das sagt die Ringelblume, wenn sie im Sommer in ihrem feurigen Orange erstrahlt um wenige Wochen später als dürrer Stängel auf dem Kompost zu landen.
Das blosse Dahinvegetieren ist den Pflanzen also lieber als in einem gewaltigen Feuerwerk aus Farben und Düften den baldigen Tod zu feiern. Genau darum wundert es mich umso mehr, dass in meinem Garten Mitten im Dezember verschiedene Arten in voller Blüte stehen. Ich meine, haben die irgendetwas nicht ganz begriffen? Jetzt nur mal so von Mensch zu Pflanze: Es ist kalt, der Schnee liegt stellenweise knöcheltief und Tag für Tag spendet die Sonne noch weniger Licht. Das sind die schlechtesten Lebensbedingungen, unter denen Pflanzen wachsen können, geschweige denn blühen. Doch sie tun es trotzdem.
Da gibt es zum Beispiel die Primel. Sie hat zwei Blüten geöffnet, obwohl ihr Blattwerk gar nicht gut aussieht. Es ist gelblich verfärbt und nur die Adern sind noch tief grün als würden sie noch den letzten Rest Energie aus den ausgefransten Blättern leiten. Die Primel sieht aus, als ob ihr letztes Stündchen bald schlagen würde. Und dennoch macht sie keine Anstalten sich auf den hereinbrechenden Winter vorzubereitend, sondern streckt frech zwei wunderschöne hellgelbe Blüten der untergehenden Sonne entgegen. Sie ist ein richtiger Winter-Exhibitionist; jemand, der auch in der grössten Kälte nicht genug davon kriegt, seine Sexualorgane der ganzen Welt zu präsentieren.
Warum sie es tut, ist mir völlig unklar. Ökologisch zumindest macht das gar keinen Sinn. Denn der Zweck von Blüten ist, dass sie Insekten anlocken, damit diese Sex-Boten Pollen von einer Blüte zur nächsten transportieren und sie befruchten. Doch bei drei Grad Celsius ist der Flugbetrieb in der Insektenwelt so ziemlich eingestellt. Die Liebesboten sind entweder in der Kälte erfroren oder sie überwintern regungslos in einer geschützten Ecke. Nun, man kann natürlich nicht von einer Pflanze erwarten, dass sie mit ihren begrenzten kognitiven Fähigkeiten detaillierte Überlegungen zum Verhalten von Insekten anstellt.

2 Kommentare:

  1. Vielleicht sind manche Pflanzen ja eitel und blühen darum. Wir Menschen ziehen uns auch schön an, wenn wir unter die Leute gehen.

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  2. Würde die Ringelblume nicht auf dem Kompost landen, die nächste Generation Maisen Verpflegen,für die nächste Supper Daddys.

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