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Montag, 26. Dezember 2011

Fette Vögel

Die Futterstelle spendet wertvolle Vitamine in Form von
Körnern. Sie helfen vor allem den ohnehin schon häufigen
Vogelarten wie Blaumeise, Amsel und Grünling.
Jedes Jahr warte ich darauf, dass die Vögel in meinem Garten vom Himmel fallen und sich nicht wieder aufrappeln. Todesursache: Herzinfarkt. Bis heute ist es zwar noch nie passiert, aber so wie die Futterlage im Moment ist, steuern sie möglicherweise direkt auf dieses Szenario zu.
Die Winterfütterung ist ein Volkssport. Pro Haushalt gehen jedes Jahr zwischen fünfzig bis hundert Kilo Vogelfutter über den Ladentisch. Grossverteiler wie die Migros bieten neben den Standardmischungen auch eine «Gourmet» Linie für unsere lieben Singvögel an. Das zeigt, wie sehr wir an unseren gefiederten Nachbarn hängen. Doch nützen die vielen Tonnen Sonnenblumen- Hanf- und Weizenkörner den Amseln, Blaumeisen und Grünlingen auch etwas?
Die offizielle Haltung der Schweizerischen Vogelwarte Sempach ist klar: nein. So schreibt auf ihrer Webseite: «Biologisch gesehen ist das Füttern im Winter nicht notwendig. Vögel, die bei uns überwintern, sind sehr gut an die kalte Jahreszeit angepasst.» Immerhin schadet massvolles füttern nicht, wie es weiter heisst. Hm, das sagt die Alkohollobby über den Konsum von Schaps auch.
Etwas mehr Licht in den dunklen Vogelmagen wirft eine neuere Studie aus Grossbritannien. Forscher haben in einem mehrjährigen Experiment zeigen können, dass die Jungen von Blaumeiseneltern, die in den Genuss einer Winterfütterung gekommen sind, eine zwanzig Prozent grössere Überlebenschance haben als die Jungen ihrer Artgenossen ohne Körnerkur.
Die Forscher erklären sich das mit einem erhöhten Vitaminangebot. Sonnenblumenkerne beispielsweise enthalten Vitamin E, ein Antioxidans. Die Eltern speichern es bis zum Frühling in ihrer Leber und geben es dann an ihre Eier ab. Mit diesem Nährstoff-Upgrade steigt die Lebenserwartung der Küken.
Also nützt die Winterfütterung doch etwas! Die Frage ist nur, wem sie etwas nützt. Mit den extra Kalorien und Nährstoffen helfen wir vor allem Vogelarten, die ohnehin häufig sind. Die Zugvögel, die im Frühling nach einer langen erschöpfenden Reise in unsere Gärten zurückkehren, gehen leer aus. Zu allem Überfluss müssen sie sich nun gegen superfitte Blaumeisen behaupten.
Auf diese Weise greifen wir jedes Jahr in das wohl ausbalancierte Ökosystem unserer Gärten ein. Wenn überhaupt ein Vogel an einem Herzinfarkt vom Himmel fällt, dann ist es ein Zugvogel, weil er gegen die Supermeisen keine Chance hat.

3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für den Post, da fühle ich mich jetzt sehr gut informiert. Ökosysteme sind komplex und es ist nicht so einfach vorherzusagen, was passiert, wenn man an einer kleinen Schraube dreht. Meine Vogelfütterung hat gegen die nachbarschaftliche Konkurrenz sowieso nie einen Stich gemacht :o)

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  2. Das mag vielleicht für die Schweiz gelten. Ich lebe in Norddeutschland, da herrscht Mono-Kultur vor. Was sollen die Vögel in einer derart ausgeräumten Landschaft finden? Sogar die meisten Kleingärtner haben eine Chemie-Keule in der Gartenbude. Hauptsache alles ist schön ordentlich und sauber. Ich wurde beschimpft: "Sie lassen ja alles wachsen!" Vögel füttern, aber richtig (Prof. Berthold) Man muss die Winterfütterung ausdehnen und noch füttern, wenn die Zugvögel kommen. Sobald genügend Insekten für die Aufzucht der Jungen vorhanden sind, lassen die Vögel das Körner- und Fettfutter sowieso links liegen, die sind nämlich nicht so dumm, wie manche Menschen meinen!

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  3. Hallo, interessanter Ansatz. Aber haben Sie auch den "Trend" mit verfolgt, dass man in Großbritannien die Ganzjahresfütterung verfolgt? So kommen auch die Zugvögel nicht zu kurz. Bei uns kann man auch Hausrotschwanz, das Rotkehlchen, Buchfink und Gimpel im Frühjahr an der Futterstelle begrüßen. Wir füttern nun seit 3 Jahren von November bis Mai und haben die Erfahrung gemacht, dass je nach Wetter die Vögel auch weniger oft zur Futterstelle kommen und sich dort eher ergänzend um teilweise raren Samenangebot auf den monokulturartigen Feldern und Wiesen ernähren.

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