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Dienstag, 29. November 2011

Urwaldverhinderer

Der alte Birnbaum in meinem Garten ist
bereits tot. Pilze verdauen sein Holz gerade.
Die frei werdenden Nährstoffe kommen der
kleinen Eibe zugute.
In den Wäldern Europas hat mindestens 2000 Jahre lang die Axt gewütet. Dabei mussten die einstigen Urwälder mit ihren Jahrhunderte alten Bäumen dran glauben. Heute haben wir keine Vorstellung mehr davon, was ein alter Wald bedeutet, wie es dort riecht oder wie es in ihm tönt. Sehnsüchtig blicken wir zu den Nationalparks in Nordamerika, wo es noch solche Waldbestände gibt, oder zu den Regenwäldern, in denen noch Baumriesen stehen.
Aber auch wenn wir mit Beil und Motorsäge unsere einstigen Urwälder in Kuhwiesen und Weihnachtsbaumplantagen verwandelt haben, so haben wir es nicht geschafft, ihren Geist auszurotten. Wer genau hinschaut, sieht ihn allenthalben aus dem Unterholz emporstreben. In manchem vergessenen Winkel des Gartens regt er sich gerade jetzt. Er manifestiert sich etwa in den kleinen Eibensprösslingen. Überall im Garten, wo es genug Schatten hat, keimen sie und entwickeln sich zu kleinen Bäumchen. Die Vögel haben ganze Arbeit geleistet.
Die Eibe ist für Europa, was der Mammutbaum für Nordamerika ist. Sie ist der Archetyp des Urwaldbaumes. Mit einer Lebenserwartung von 3000 Jahren stellt sie alle anderen hiesigen Nadelbäume in den Schatten. Ihre Uhr tickt sehr langsam. Pro Jahr legt ein Baum nur ein bis drei Zentimeter an Höhe zu. Das ist kein Nachteil, sondern im Gegenteil ihr Erfolgsrezept. Die Eibe wartet, bis andere Bäume wie die Buche oder die Eiche gross werden und ihre mächtigen Kronen entfalten. Im Schatten solcher Bestände wächst die Eibe mit Vorliebe.
Während die Bäume rundum grösser und fetter werden und nach einigen Jahrhunderten ihrem Lebensende nahe kommen, wächst die Eibe langsam und bedächtig als schmächtiges Bäumchen vor sich hin. Wenn dann eine alte von Pilzen zerfressene Buche unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfällt, ist die Eibe bereit, ihren Platz einzunehmen. Jetzt breitet sie ihre Eigene Krone in alle Himmelsrichtungen aus. Der Schatten, den sie auf den Waldboden wirft, ist so dunkel, dass keine andere Baumart unter ihr zu keimen vermag. Für die kommenden Jahrtausende gehört der Wald ihr allein.
Nur leider kommt es in den Gärten nie soweit. Eiben werden gestutzt und geschnitten, ausgerissen und zurückgepfiffen. Damit sind wir Gärtner Urwaldverhinderer. Wir drängen seinen Geist immer wieder zurück ins Unterholz. Aber vielleicht, eines Tages, wenn unsere Hände müde geworden sind, werden die Eiben die Herrschaft über Land, Garten und Wald wieder an sich reissen. 

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