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Mittwoch, 9. Februar 2011

Tod im Backofen

Ohne Hefe, kein Brot. Trotzdem scheinen wir nicht viel
übrig zu haben für die kleinen Pilze.
In unserer Küche steht eine silbergraue Metallbox etwa von der Grösse einer Zigarrenkiste. Darin befindet sich alles, was man neben Eier, Butter und Mehl sonst noch zum Backen braucht: Rum-Aroma, Vanillin-Zucker, Backpulver, zwei Röhrchen mit Vanilleschoten, Zimtpulver und natürlich Trockenhefe. Bei letzterer bin ich kürzlich ins Grübeln gekommen, denn sie besteht nicht wie Zimtpulver aus totem Pflanzenmaterial, sondern aus lebenden Pilzen.
Allerdings sind sie in einer Art Tiefschlaf. In einem technischen Verfahren wurden Millionen von ihnen zu kleinen Würstchen gepresst, getrocknet und dann in Briefchen zu sieben Gramm abgefüllt. Wenn man es schüttelt, tönt es nach Plastic oder Salz. Aber da drin ist geballtes Leben. Die Inhaltsangabe auf der Rückseite bestätigt es: «Zutaten: Trockenhefe Saccharomyces cerevisiae».
Nie ist mir in meinen eigenen vier Wänden ein Lebewesen begegnet, das der Mensch so vollkommen für seine Zwecke instrumentalisiert hat. Ich meine, die Rosen in meiner Rabatte sind alles andere als pflegeleicht. Die muss man mit der richtigen Menge Dünger gütig stimmen, muss ihnen den Boden lockern, ihre empfindlichen Zweige mit Pflanzenschnur umgarnen, nur damit sie nach langen Monaten erblühen und wir sie endlich so haben, wie wir sie wollen.
Aber Trockenhefe reisst man einfach auf, schüttet sie ins Mehl, fügt Wasser hinzu und das war’s. Da muss ich nicht erst Unkraut jäten gehen, bis ich Schwielen an den Händen habe, damit etwas läuft. Nein – an der Hefe hat die Menschheit ein Exempel statuiert. Es ist die vollkommene Unterwerfung einer Art, die perfekte Planung jedes Atemzugs eines Lebewesens, die Hausfrauentauglichmachung eines Stücks Biodiversität.
Das Schlimmste dabei ist, wie respektlos wir die Hefe behandeln. Die kleinen Pilze lieben Zucker. Aber wir wissen nichts Besseres zu tun, als sie in eine Schüssel voller Weizenstärke (Mehl) zu werfen. Wie sie das nerven muss! Statt gleich mit Fressen beginnen zu können, müssen sie die Stärke erst mühsam mit Hilfe von Enzymen in Zucker aufbrechen.
Den Zucker verdauen sie und scheiden als Abfallprodukte Alkohol und Kohlendioxid aus (dasselbe passiert auch beim Bierbrauen). Das Gas – man könnte sagen die Fürze der Hefe – machen den Teig schön luftig und locker. Und unser ganzer Dank besteht darin, dass wir das Rad am Backofen auf 200 Grad drehen und die kleinen Helfer in den Massentod schicken.

3 Kommentare:

  1. Schlimm sowas. Und dann noch all die Organismen, die in unserem Trinkwasser durch Abkochen oder Chlor sterben. Und ich habe heute auch noch unsere Anzuchterde im Backofen sterilisiert....

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  2. Ist es nicht eher ein Beweis dafür, wie sehr wir Hefen schätzen, da sie seit Menschengedenken Teil der verschiedenen (Menschen-)Kulturen ist? Hefen werden seit Jahrhunderten kultiviert, gezüchtet, gehätschelt und gepflegt. Wenn ich mich nicht irre ist die technische (Massen)Produktion/Kultur der Hefen gar nicht so problemlos, und durchaus vergleichbar mit der Züchtung neuer Rosen.
    Der Endverbraucher behandelt sowohl Rosen als auch Hefen dann oftmals gedankenlos, da gebe ich dir recht.
    LG
    Sisah

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  3. Oh Gott, ich fürchte mich schon davor, wenn mich das nächste Mal der Hefeteig vorwurfsvoll anschaut, bevor ich den Henker mach >;o))

    Ich lieeebe Deine wirklich interessanten Beiträge!
    Herzliche Grüße aus Ösiland,
    eliZZZa (die mit den Nacktschnecken tanzt >;o)

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