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Sonntag, 6. Juni 2010

Die Herrschaft der Gänseblümchen

Sauerampfer, Kuckucks-Lichtnelke und Margerite
dominierten den alten, wilden Rasen.
Hochmut kommt vor dem Fall. Diese Lektion lehrte ich vor zehn Tagen die Pflanzen meines Rasens. Seit dem Frühlingsanfang haben sie sich unbehelligt breit getan, haben Blüten hervorgebracht, haben mit ihrer Schönheit geprotzt und so getan, als ob der Garten ihnen gehören würde. Der Gang vom Gemüsebeet zum Komposthaufen wurde je länger je mehr zu einer wiederkehrenden Safari durch ein undurchdringliches Dickicht. Mutter und Grossmutter machten entsprechende Andeutungen und schliesslich schritt ich zur Tat.
Mit dem Rasenmäher stutzte ich die wilde Pracht unbarmherzig auf eine Standardhöhe von zwei Zentimetern. Löwenzahn, Margeriten, Hahnenfuss und Sauerampfer – die aufgeschossenen Riesen – wurden zu Konfetti zerkleinert. Ihre Blüten und unreifen Samenstände waren nunmehr ein dekoratives Gemenge auf dem Komposthaufen. Hochmut kommt vor dem Fall; ich denke, sie haben ihre Lektion gelernt.
Nach dem Schnitt jubeln die Gänseblümchen.
Ihre Niederlage ist umso schmerzlicher, als wenige Tage später ein Meer von Gänseblümchen an ihre Stelle tritt. Die kleinen Pflänzchen haben auf diese Chance nur gewartet. Sie strecken ihre Blüten bis zu zehn Zentimeter über die Schnittfläche des Rasens, wie wenn sie damit den ehemaligen Riesen etwas sagen wollten. Etwa: «Seht her, wir kleinen unterdrückten Pflänzchen sind jetzt noch die einzigen, die sich sexuell vermehren können.»
Es ist wahr. Eine Margerite oder eine Kuckucks-Lichtnelke brauchen Wochen, bis sie wieder in blühfähigem Zustand sind. Zuerst müssen sie die Blätter wieder wachsen lassen und dann mühsam einen Stängel in die Höhe treiben, bevor sie dann endlich mit der Produktion einer Blüte beginnen können. Der Löwenzahn nimmt die Sache besonders ernst. Wie ein Wahnsinniger lässt er seine Blätter aus dem Rasen hervor schiessen. Nach dem Schnitt wachsen sie mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Tag. Er macht ein Wettrennen mit mir und versucht, zu blühen und abzusamen, bevor ich das nächste Mal den Rasenmäher aus der Garage hole. Er wird es nicht schaffen.
Ihr Geheimnis: Sich an den Boden
schmiegen und auf den
Rasenmäher warten.
Die Strategie der Gänseblümchen hingegen ist erfolgreich. Sie schmiegen ihre kleinen Blätter konsequent an den Boden. Der grosse Nachteil davon ist natürlich, dass sie im Schatten der anderen Pflanzen nicht allzu viel Sonnenenergie tanken können und sich darum mit blühen zurückhalten müssen. Der grosse Vorteil ist allerdings, dass ihnen der Rasenmäher nur wenig anhaben kann. Seine Metallmesser schwirren über sie hinweg, ohne viel Schaden anzurichten. Die neue Flut von Sonnenlicht liefert den Gänseblümchen genug Energie, um innert weniger Tage Blüten hervorzubringen. Und damit hat ihre Herrschaft über den Rasen begonnen.

1 Kommentar:

  1. Auf Weiden, wo Kühe gegrast haben, sieht man die Gänseblümchen ja auch. Dort funktioniert ihre Strategie wohl ähnlich?!

    Gruss
    Max

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