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Dienstag, 10. Februar 2015

Mutterliebe

Die Sonnenblume opfert ihr Leben für ihre Nachkommen. 
Es ist wieder soweit. Wir kippen kiloweise Vogelfutter in den Garten, damit Amsel, Buchfink und Grünling sich den Bauch vollschlagen können. Die ganze Fütterung hat eine tragische Seite. Nicht für die Vögel, sondern für die Pflanzen.
Hauptbestandteil der meisten Mischungen sind Sonnenblumensamen. Das hat einen guten Grund: Sie sind vollgetankt mit Öl. Es liefert den Vögeln Energie für Muskulatur und für die Wärmeproduktion. Hundert Gramm Sonnenblumenkerne enthalten 570 Kilokalorien. Das ist mehr als Milchschokolade hat.
Das Öl ist ein Geschenk – nicht für die Vögel, sondern für den Embryo, der in der Spitze jedes Sonnenblumenkerns schlummert und darauf wartet, dass ihn jemand in feuchte, warme Erde drückt. Das Geschenk stammt von der Mutterpflanze. Sie hat einen ganzen Sommer lang mit der Photosynthese Zucker produziert und diesen unter anderem in Stärke und Fette umgewandelt. Von diesem Energievorrat zehrt der Sämling während der ersten Tage seines Lebens.
Die wenigsten Pflanzen stecken ihre Energie so konsequent in die nächste Generation wie die Sonnenblume. Der Bärlauch beispielsweise behält das meiste für sich. Er lagert die Stärke in seiner Knolle unter der Erde ein. Für seine Samen bleibt da nicht viel übrig. Noch geiziger ist das Knabenkraut. Auch es behält Zucker, Stärke und Fette lieber für sich und speichert sie in einer Knolle. Ihren Samen vermacht sie kein Gramm davon. Sie sind so winzig und so energiearm dass sie im Boden nur keimen, wenn Pilzen sie mit den nötigen Nährstoffen versorgen. Der Vorteil dieser Geiz-Strategie ist, dass eine Pflanze dank ihrer gehorteten Energie mehrere Jahre oder Jahrzehnte am Leben bleibt.
Die Sonneblume ist da ganz anders. Sie vermacht ihre gesamten Reserven der nächsten Generation. Damit unterschreibt sie allerdings ihr Todesurteil. Zum Winteranfang erfriert sie. Die Samen aber überleben und bekommen dank des Ölvorrats einen grandiosen Start ins Leben. Das ist wahre Mutterliebe bei den Pflanzen.
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