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Donnerstag, 25. Dezember 2014

Weihnachtliches Ökosystem

Von aussen sieht die Keksdose unschuldig aus.
Im Moment schmecken die Weihnachts-Kekse noch vorzüglich. Doch je mehr Zimtsterne, Linzeraugen, Vanillekipferl und Lebkuchen wir in uns aufnehmen, desto mehr rebelliert unser Gaumen gegen die an ihm vorbeiziehenden Zucker-, Vanille- und Schokonuancen. Nussig und zitronengetränkt erträgt er schon bald nicht mehr.
Das ist in der Regel die Zeit, in der neue Ökosysteme geschaffen werden. Die Keksdosen, in denen einige Brunsli und Mailänderli hartnäckig die Stellung halten, landen nämlich im Schrank gleich neben den zehn Jahre alten Karamellbonbons. Dort machen die Kekse in der Regel einen sehr langen Winterschlaf. Wenn der Frühling kommt, hat man sie schon längst vergessen. Im Sommer denkt niemand auch nur im entferntesten an Kekse. Im Herbst ist Weihnachten noch zu weit weg, um sich dem Thema zu widmen. Aber spätestens an Weihnachten, wenn sich eine neue Generation von Keksen auf dem Tisch zu einem Berg türmt und Behältnisse Mangelware sind, erinnern wir uns an die Dosen vom letzten Jahr.
Drinnen zeigt sich, was mit meinen Keksen von
letztem Jahr passiert ist.
Wer sie zum ersten Mal seit 12 Monaten öffnet, kann einen Schock bekommen. Denn Brunsli und Mailänderli haben manchmal ihre Erscheinungsform erheblich verändert. Bei unseren fand gar eine regelrechte Verwandlung statt. Als wir die Keksdose öffneten, fanden wir eine riesige Kolonie aus Mehlmotten vor. Zudem war die ganze Dose ausgekleidet mit einem grauen Seidengespinst.
Offenbar hat sich letzten Januar, als die Dose in den Schrank wanderte, eine einzelne Mehlmotte zwischen den Keksen versteckt. Es muss sich um ein schwangeres Weibchen gehandelt haben. Dieses kann bis zu fünfhundert Eier ablegen. Die aus ihnen schlüpfenden Maden machten sich mit Freuden über die Kekse her. Um zu überleben, brauchen sie kein Wasser. Alle stärkehaltigen Speisen sind ihnen recht.
Der Mangel an Keksen liess das Ökosystem
schliesslich kollabieren.

Während die Maden fressen, ziehen sie ständig einen Seidenfaden hinter sich her. Mit der Zeit bildet sich ein dichtes Gespinst. Offenbar haben sich die Maden schliesslich verpuppt und es sind Hunderte von Motten geschlüpft. Vielleicht haben sich die Geschwister untereinander erneut verpaart. Vermutlich haben sie sogar Eier abgelegt, doch die erste Generation hat die Vorräte bereits aufgebraucht.
Das von alten Weihnachtskeksen angetriebene Ökosystem überdauerte wohl nur ein oder zwei Monate, dann kollabierte es. Zurück blieben eine Menge luftgetrockneter Motten, das Gespinst und darunter ein riesiger Haufen Kot.
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