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Samstag, 30. Juli 2011

Fenster in die Kinderstube

Eine einzelne Brutzelle der Roten
Mauerbiene. Unten ein Berg Pollen,
oben die Made.
Hier eine neue Regel für den Garten: Fenster, die man nur sehr selten öffnet, öffnet man am besten gar nicht. Sonst ist die Gefahr gross, dass man das Kinderzimmer einer Wildbiene zerstört. Das ist mir vor einigen Wochen passiert, als ich seit langem wieder einmal das Eckfenster in der Stube aufmachte. Zu meinem Erstaunen rieselten getrockneter Schlamm und ein gelbes Pulver danieder. Ihr Ursprung war die Innenseite des Fensterrahmens. Dort hat eine Rote Mauerbiene ihre Brutzellen hineingebaut. Sie hat sich offenbar einen Weg durch die Fensterdichtung gebahnt und sich dann im engen Spalt zwischen Fenster und Rahmen eingenistet.
Eine der Brutzellen war nach meinem unsanften Eindringen noch intakt und bot einen seltenen Einblick in die Kinderstube der Roten Mauerbiene. Normalerweise nistet sie in hohlen Pflanzenstängeln oder alten Baumstämmen, die das Nest sicher vor neugierigen Blicken schützen. 
Aber für einmal liegt ihr Geheimnis offen vor mir. Ihr Bauplan ist ziemlich einfach: Hintereinander legt sie eine Brutzelle nach der anderen an. Jede von ihnen füllt die Mutter mit einem grossen Vorrat an Pollen, auf den sie ein einziges Ei legt. Danach mauert sie ihr Ungeborenes ein und beginnt mit dem Bau der nächsten Zelle. Sie sieht ihren Nachwuchs nie mehr wieder, da sie selbst nach getaner Arbeit stirbt.
Aus dem Ei schlüpft eine Made, sie sich sogleich über den Pollenberg hermacht. Interessant ist, dass sie während ihrer ganzen Entwicklungszeit keinen Schluck Wasser zu sich nimmt. Vielleicht gibt es in den Pollen ja genug Feuchtigkeit, um ihren Durst zu befriedigen? Oder die Mutter hat ihr ein wenig Speichel unter den Pollen gemischt? Möglich wär’s.
Denn die Mauerbienen gehen mit sehr viel Köpfchen ans Werk. Das ganze Nest besitzt nur einen einzigen Ausgang, nämlich vorne. Das heisst, wenn die Bienen aus den hintersten Kammern schlüpfen, müssen die vorderen Kammern bereits leer sein, sonst zerstören sie die Brut bei ihrem Versuch, sich an das Tageslicht durchzugraben. Aber zum Glück hat die Mutter vorgesorgt. In die hintersten Kammern legt sie nur befruchtete Eier. Aus ihnen entwickeln sich die Weibchen. In die vorderen Kammern legt sie ausschliesslich unbefruchtete Eier, die zu Männchen werden. Letztere entwickeln sich schneller und schlüpfen darum immer zuerst. Die Weibchen haben also immer freie Bahn.

Samstag, 23. Juli 2011

Verräterische Höschenfarbe

Diese Hummel sammelt den blauen Pollen der
Samt-Hortensie. Sie packt ihn an ihre Hinterbeine und
bekommt so ein «Höschen».
Hummeln und Bienen sind gerade überglücklich. Die Samt-Hortensie blüht und liefert reichlich Nektar und Pollen. Die kleinen Sammler stürzen sich Kopfüber in die Blüten. Aber sie schlagen sich nicht an Ort und Stelle den Bauch voll, sondern sammeln in erster Linie für ihr Volk. Denn in den Waben zurück im Stock warten hungrige Larven auf Nachschub. 
Sowohl Hummeln als auch Bienen transportieren die wertvolle Fracht auf ihren Hinterbeinen. Dazu vermischen sie den Pollen mit Speichel und kleben ihn an einer Stelle mit besonders langer Beinbehaarung fest. Mit der Zeit bildet sich dort ein ordentlicher Haufen und es sieht aus, als ob sie ein Höschen tragen würden.
Die Farbe ist meistens ein Gelbton. Nicht aber bei der Samt-Hortensie. Ihr Pollen ist blau. Und genau diese Farbe hat auch ihr Höschen. Es sieht schon fast giftig aus, was da an den Hummeln klebt. Aber offenbar ist der blaue Pollen für die Larven ein Hochgenuss.
Diese Hummel hat zuvor an von einer anderen Pflanze mit
orangem Pollen gesammelt. Ihr Höschen ist darum zweifarbig.
Während des Jahres fressen sie sich durch das ganze Farbspektrum. Bei Haselnuss ist der Pollen schwefelgelben, bei der Himbeere hellgrau, beim Klee dunkelbraun und bei der Königskerze rot. Blauer pollen ist eher selten und kommt etwa bei Meerzwiebeln oder Weidenröschen vor.
Dem Imker sagt die Farbe des Pollen-Höschens viel über die gegenwärtige Futterversorgung seines Volkes aus. Er kann abschätzen, welche Pflanzen die Bienen gerade anfliegen. Ist das Höschen in Frühling orangerot, sammeln die Bienen vor allem auf Schneeglöckchen. Ist es im Juni weissgelb, so sammeln sie auf Sommerlinde oder Scheebeere.
Da der Nährwert jedes Pollens unterschiedlich ist, weiss der Imker, ob ein Volk genug Kalorien pro Tag in den Stock zurückbringt, um das weitere Wachstum des Volkes zu gewährleisten. Denn nur grosse Völker produzieren auch viel Honig.
Falls die Pollenqualität und die zurückgebrachte Menge nicht mehr ausreichen, um alle satt zu machen, stellt der Imker Zucker bereit. Mit den zusätzlichen Kalorien kann das Bevölkerungswachstum ungehindert weiter gehen. Wenn dann der Raps zu blühen beginnt, ist die Flaute überwunden. Das sieht der Imker an den zitronengelben Höschen seiner Bienen.

Samstag, 16. Juli 2011

Die Wucher-Erbse

Die Robinie in meinem Garten ist in
50 Jahren zu einem riesigen Baum
gewachsen.
Manche Pflanzen haben nur eine oder zwei besondere Fähigkeiten, die sie dazu prädestinieren, eine invasive Art zu werden. Es gibt aber auch solche, die mit so vielen verschiedenen Gaben ausgestattet sind, dass sie die Bezeichnung super-invasive Art verdienen. Eine davon ist die Robinie.
Ihre ersten Samen kamen 1601 per Post von Nordamerika an einen botanischen Garten in Frankreich. Seither hat sich die Pflanze wegen ihres schnellen Wuchses und ihren duftenden, üppigen Blüten zu einem Liebling von Landschaftsgestaltern und Gärtnern entwickelt – und zu einem Alptraum für die Natur. Die Robinie ist eine so genannten Pionierpflanze. Das heisst, wo immer es einen Waldbrand gibt, einen Erdrutsch oder ein Sturm, der den ursprünglichen Wald flach legt, fasst die Robinie Fuss und wächst wie der Teufel.
Der Baum wird in wenigen Jahren zwanzig Meter hoch. Noch bevor er selbst Samen produziert, vermehrt er sich über Wurzelausläufer. Allenthalben um den Mutterbaum herum schiessen kleine Bäumchen hoch und verwandeln die Landschaft in ein Robiniendickicht. Andere Pflanzen müssen sich für etwas Sonnenlicht erst einmal hinten anstellen.
Die Wurzeln sind überhaupt die Hauptursache für ihren Erfolg. Sie gräbt sie tief hinunter ins Erdreich in Schichten, wo es auch in trockenen Gebieten immer Wasser gibt. Diese Pflanze kennt keinen Durst. Und keinen Hunger. Die Robinie gehört zu den Schmetterlingsblütlern und ist damit nahe verwandt mit der Erbse. Genau wie bei ihr hausen auf ihren Wurzeln Knöllchenbakterien, die den Luftstickstoff binden und ihn der Pflanze zur Verfügung stellen. Dünger braucht die Robinie keinen, denn sie stellt ihn gleich selbst her. Dazu kommt, dass der ganze Baum äusserst giftig ist. Das schützt ihn vor Pilzbefall und Insektenfrass. Er hat somit keine natürlichen Feinde.
Ihr einziger Schwachpunkt ist ihre grosse Abhängigkeit vom Licht. Ihre Samen keimen nur auf offenem Gelände. In einem Wald haben sie keine Chance. Zudem ist ihre Lebenszeit auf mickrige 200 Jahre beschränkt. Wenn auch das nur ein kleiner Trost ist, denn in dieser Zeit hat eine einzige Pflanze längst einen ganzen Wald hervorgebracht.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Exportierte Invasoren

Die Wespen haben sich unter meinem Vordach eingenistet.
In der Sommerhitze verschaffen die Arbeiterinnen dem Nest
Kühlung, indem sie vor dem Eingang mit ihren Flügeln
schlagen und so frische Luft in das Nest strömen lassen.
Wenn wir von invasiven Arten sprechen, dann meinen wir die Tiere und Pflanzen, die von Asien oder Amerika nach Europa gekommen sind und sich hier auf kosten der heimischen Biodiversität ausbreiten. Das ist jedoch eine sehr egozentrische Weltsicht. Denn auch Europa ist ein Ursprungsgebiet für invasive Arten anderswo in der Welt.
Ein Beispiel ist die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris). Sie hat sich mit dem Menschen rund um den Globus verbreitet und erreicht an manchen Orten beängstigende Bevölkerungsdichten. Ein Beispiel ist Neuseeland. Die Gemeine Wespe kam 1978 auf die Inseln und verbreitete sich rasant. Die Scheinbuchenwälder (Nothofagus) haben es ihnen besonders angetan. Auf den Stämmen dieser Bäume leben kleine Insekten, die den Zuckersaft in den Leiterbahnen unter der Rinde trinken. Einen grossen Teil davon scheiden sie als Zuckertröpfen aus. Viele Insekten ernähren sich von ihnen und domestizierte Honigbienen sammeln die Tröpfchen und machen daraus Waldhonig.
Aber auch die eingeführten Wespen laben sich am Waldzucker. Der bekommt ihnen so gut, dass unheimlich viele Wespen in solchen Wäldern zu finden sind. Forscher haben pro Hektare bis zu 3,7 Kilogramm Wespen registriert. Das sind über zehntausend Arbeiterinnen oder über dreissig Nester pro Hektare.
Im Vergleich dazu gibt es eine Biomasse von nur 900 Gramm Nagetiere pro Hektare Wald. Und die Vögel sind mit lächerlichen 200 Gramm vertreten. Die Wespen sind also die neuen Herrscher der Scheinbuchenwälder. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zur heimischen Fauna. Denn Wespen lecken den Vögeln und Insekten nicht nur den Zucker vor der Nase weg – sie jagen auch die Insekten selbst und schmälern so das Nahrungsangebot für ihre gefiederten Nachbarn zusätzlich.
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