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Mittwoch, 26. Januar 2011

Wir sind Pilz

Pilze lassen sich ganz einfach selber züchten.
So geht's:
1. Reis oder Getreidekörner 10 min kochen, auf Tuch
etwas abtrocknen und in ein Konfitüreglas geben.
2. Deckel drauf und im Backofen bei 80 Grad Celsius
eine halbe Stunde sterilisieren.
 3. Von einem Pleurot (z.B. Kräuterseitling) aus dem
Supermarkt mit einem sauberen Messer ein Stück aus
dem Innern herausschneiden und ins Glas werfen.
3. Deckel lose drauf und in eine Ecke im Büro stellen.
(zweiter Teil / dritter Teil)
Pilze – das sind die unsichtbaren Lebewesen, die sich immer dann sichtbar machen, wenn etwas zu feucht oder zu alt ist. Meistens muss man das Ding mit Pilzbefall wegwerfen, mit Fungizid behandeln oder dem Arzt zeigen, damit er ein Medikament dagegen verschreiben kann. Es stimmt schon; weltweit gibt es etwa 1,5 Millionen Pilzarten und die meisten davon kriegen wir so gut wie nie zu Gesicht, weil sie als feines Geflecht unter der Erde, in einem Möbelstück oder auf unserer Haut leben. Aber ein Prozent von ihnen – das sind immerhin 14 000 Arten – produziert einen grossen, schönen Fruchtkörper.
Das ist ihre genussvolle Seite. Wir kennen sie alle: Austernpilz, Champignon Steinpilz, Trüffel. Sie schmecken uns Menschen sogar so gut, dass wir sie nicht nur in den Wäldern einsammeln gehen, sondern auf grossen Farmen anbauen. Das ist gut so, denn wenn der weltweite Hunger nach ihnen nur durch die wildlebenden Arten gedeckt werden müsste, gäbe es schon längst keine Pilze mehr.
1961 wurden global rund dreihunderttausend Tonnen Speisepilze angebaut. Das machte damals pro Erdenbürger hundert Gramm pro Jahr. 2007 hatte sich die Produktion verzehnfacht. Pro Kopf – inzwischen ist auch die Weltbevölkerung gewachsen – macht das bereits rund vierhundert Gramm Pilze pro Jahr. Offenbar scheinen wir in den letzten fünfzig Jahren unsere Vorurteile gegenüber diesen Lebewesen etwas abgebaut zu haben; unserem Gaumen sei Dank.
Der grösste Produzent ist übrigens China. Auf sein Konto geht die Hälfte der weltweiten Produktion. Die Schweiz folgt hinter Deutschland, Australien und Vietnam auf Platz 26. Hierzulande bringen wir pro Jahr nur siebentausend Tonnen zustande. Das tönt nach wenig, ist aber pro Kopf fast ein Kilo. Die Schweizer sind eben echte Pilzesser.

Dienstag, 18. Januar 2011

VIP: Very Important Plant

In der Garage überwintern bedeutet Stress
für meine Aloe vera.
Zum Glück gibt es keine Aloe vera Gewerkschaft. Die hätte ich nämlich jetzt am Hals, wenn die sehen würden, wie ich meine Pflanze misshandle. Im Herbst habe ich sie einige Tage während des ersten Frostes draussen stehen lassen. Dabei sind ihr ein paar Blätter erfroren. Jetzt schmollt sie in der Garage. Dort ist es zwar bei 15 Grad Celsius angenehm warm, aber es gibt praktisch kein Licht während des Tages und das ist etwa so, als ob ein Mensch bei einem halben Stück Brot und einem Schnapsglas voll Wasser pro Tag den Winter verbringen müsste. So siecht das einstige Prunkstück dahin und wirft demonstrativ ein Blatt nach dem anderen ab.
Dabei ist die Aloe vera eine VIP, eine «Very Important Plant», und hätte besseres verdient. Sie steht in einer Reihe mit anderen grossartigen Pflanzen wie etwa der Weide oder dem Kaffe, die uns Menschen begehrte chemische Verbindungen wie das Aspirin oder das Koffein geschenkt haben.
Ob es meinem Hintern damit besser geht? Die Verbraucher-
Zentrale Hessen meint nicht.
Der Aloe vera hat die gallertartige Masse im Innern ihrer Blätter zum Ruhm verholfen. In Scheibchen geschnitten und auf die Haut gelegt, heilt das Gel Verbrennungen, beschleunigt die Wundheilung und senkt das Infektionsrisiko. Das bestätigen sogar klinischen Studien. Aber mit ein bisschen Wundheilung wird man noch nicht berühmt. Die Aloe vera musste warten bis die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie bei ihr anklopfte. Erst das richtige Marketing katapultierte die Pflanze in den VIP-Himmel.
Heute gibt es fast kein Produkt, das nicht die Option «mit Aloe vera» anbietet. Angefangen bei Handcremes, Seifen und Getränken, gibt es heute sogar Toilettenpapier und Katzenfutter mit dem begehrten Zusatzstoff. Die Wirkung von solchen Produkten auf die Gesundheit ist allerdings sehr fragwürdig. Vor allem der Verzehr der Pflanze bringe wenig, wie die Verbraucher-Zentrale Hessen in einem Merkblatt schreibt: «Inhaltsstoffe wie Aminosäuren, Vitamine oder Mineralstoffe liefern aufgrund der geringen Mengen keinen nennenswerten Beitrag zur Ernährung.» Sie geht sogar noch weiter und sagt: «Die meisten versprochenen heilenden Wirkungen sind nicht nachgewiesen.»
Am besten ist es, sich eine Pflanze im Garten zu halten und bei Bedarf das Gel frisch aus den Blättern zu ernten. Überwintern lässt sich die VIP gerne im Wohnzimmer an einem hellen Fenster – vorausgesetzt, es gibt noch Platz. Andernfalls muss sie eben mit der Garage Vorlieb nehmen.

Dienstag, 11. Januar 2011

Und ewig lockt die Orchidee

Die Phalaenopsis vom Baumarkt. «Nimm mich jetzt!» ruft
sie den Menschen im Vorbeigehen zu – und die gehorchen.
Der Baumarkt ist einer der wohltuendsten Orte der zivilisierten Welt. Da gibt es Büchergestelle und Fernsehtische nach Mass zugeschnitten, einen Flirt mit der preisreduzierten Bohrmaschine und an der Kasse warte die Vorfreude auf den Hotdog von der Imbissbude neben dem Ausgang. Gleichzeitig gibt es in Baumärkten etwas Störendes – etwas, das wie ein Dorn im Hinterkopf steckt und auf Heilung wartet. Es ist eine Frage, die ich bei mir unter «grösste Rätsel der Menschheit» abgelegt habe: Woher kommen all die Orchideen?
Wo man hinschaut stapeln sie sich. Phalaenopsis hier, Phalaenopsis dort. Weisse, rosarote, getüpfelte, grosse, kleine – auf dem Weg zur Bohrmaschine winken einem die prächtigen Blüten zuckersüss entgegen und rufen «Kauf mich! Kauf mich! Stell mich in dein Wohnzimmer!». In der Warteschlange an der Kasse darf ich nicht nach links oder rechts schauen, sonst geht das obszöne Geschrei schon wieder los. Interessanterweise können viele Baumarktgänger der Verlockung nicht widerstehen. Und statt sich nur ein kleines Pflänzchen als Souvenir mitzunehmen, packen sie sich gleich drei von der grössten Sorte auf ihren Einkaufswagen.
Pflegetipp: Die Orchideen samt
Übertopf in den Zimmerbrunnen
stellen oder rundherum. Die erhöhte
Luftfeuchtigkeit schafft ein etwas
tropischeres Klima, was die Pflanzen
sehr schätzen.
Das liegt vielleicht am Preis. Denn oft kosten die mittelgrossen Exemplare nur fünf Franken, wie sich am roten Aufkleber mit dem Schriftzug «Aktion» erkennen lässt. Verwunderlich ist, dass anders als bei den Bohrmaschinen der Strom an preisreduzierten Orchideen nie abreisst. Für fünf Franken gibt es immer etwas.
Nun, die Erklärung für das Rätsel im Baumarkt ist, dass Zierpflanzen einen beachtlichen Nutzen für die Volkswirtschaft erbringen. In Deutschland zum Beispiel werden jedes Jahr Zierpflanzen im Wert von 1,6 Milliarden Euros produziert. Für ein paar Geranien und Rosen ist das viel Geld.
Aber was heisst ein paar? Für Orchideen, Sukkulenten und Primeln sind ganze 23 Quadratkilometer Deutscher Boden mit Glas überdacht. Das sind eine Menge Treibhäuser. Aber das reicht bei weitem nicht. Denn alle anderen Zierpflanzen, die es etwas kälter mögen, benötigen zusätzliche 49 Quadratkilometer Land. 
Von dort kommen sie also, die Baumarkt-Schönheiten. Magnolien, Rhododendren, Pfingstrosen und Orchideen warten ungeduldig darauf, dass ein Mensch wie in Trance vor dem farbigen Bouquet in die Knie geht und die Brieftasche zückt. So spült die Vielfalt von Pflanzen Geld in die Kassen der Baumärkte.

Montag, 3. Januar 2011

Die Naturgeschichte des Vogelfutters

Der Sonnenblumensamen:
Begierde von Vögeln und
Forschern gleichermassen.

Jetzt streiten sie wieder. Die Spatzen, die Grünlinge, die Meisen und die Amseln zanken sich um das Vogelfutter. Sie schüchtern sich gegenseitig mit Drohgebärden ein und führen sich auf, als ob es auf der Welt nichts Wertvolleres als Sonnenblumenkerne gäbe. Dabei steht in unserem Küchenschrank noch ein ganzer Sack voll – mehr als genug für alle. Aber das wissen sie natürlich nicht.
Doch was will man den Vögeln schon vorwerfen, streiten sich doch sogar Wissenschaftler um Sonnenblumenkerne. Nicht, weil sie zu wenig zu essen haben, sondern weil der Ursprung der Sonnenblume unklar ist. Die gängige Lehrmeinung geht davon aus, dass die Indianer im Mississippi-Gebiet diese Nutzpflanze domestizierten. In der Region fanden Archäologen bereits Tausende gut erhaltene Samen, die bis zu 4500 Jahre alt sind.
In den 90er Jahren entdeckten Forscher von Mexiko in einer Höhle nahe der Hauptstadt ebenfalls drei Samen. Ihr Alter: zweitausend Jahre. Seither streitet sich die Fachwelt darüber, ob der Ursprung der Sonnenblume am Mississippi oder in Mexiko liegt oder ob sie vielleicht zweimal unabhängig voneinander entstanden ist.
Woher kommen sie bloss? Aus Nord-,
Mittel- oder Südamerika?
Diesen September verkomplizierte sich die Geschichte noch mehr. Argentinische Forscher entdeckten in Südamerika, im nordwestlichen Patagonien, einen versteinerten, 47 Millionen Jahre alten Blütenkopf. Die Forscher ordneten ihn den Korbblütengewächsen zu. Das ist dieselbe Familie, zu der auch die Sonnenblume gehört.
Ist die Versteinerung möglicherweise eine direkte Vorfahrin der heutigen Sonnenblumen? Wurden deswegen die ersten wilden Pflanzen vielleicht viel weiter südlich domestiziert, als die Wissenschaft heute annimmt? Viel Stoff für noch mehr Streit unter den Gelehrten. Die Amseln und Meisen kümmert das wenig. In ihrer Welt zählt nicht, woher ihr Futter kommt, sondern in welchem Magen es landet.
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